Studie Studie bestätigt große Lücken in der Versorgung Sterbender
Berlin/Gütersloh (dpa) - Eine aktuelle Studie hat den dringenden Handlungsbedarf der Bundesregierung beim Ausbau der Versorgung sterbenskranker Menschen unterstrichen. Nach der Analyse der Bertelsmann-Stiftung bestehen große regionale Unterschiede und erhebliche Versorgungslücken.
So fehlen in gut einem Viertel aller Kreise Hospize, Palliativstationen oder Anbieter für eine ambulante Palliativversorgung. Bundespräsident Joachim Gauck lobte den geplanten Ausbau der Palliativmedizin und würdigte den Einsatz der ehrenamtlicher Helfer in diesem Bereich.
An diesem Donnerstag will der Bundestags das Palliativ- und Hospizgesetz verabschieden, mit dem die Betreuung sterbender Menschen verbessert werden soll. Am Freitag folgt dann eine Entscheidung über die vier im Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe.
Beide Gesetzesinitiativen werden im engen Zusammenhang gesehen. Doch während der Ausbau der Palliativmedizin und Hospizbewegung weitgehend unumstritten ist, gibt es bei der Sterbehilfe erhebliche Meinungsunterschiede unter den Abgeordneten.
Nach der Studie wollen 75 Prozent der Menschen zu Hause sterben. Doch tatsächlich stirbt jeder zweite ältere Deutsche im Krankenhaus. In Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein arbeiten besonders viele ambulant tätige Palliativmediziner, die ihre Patienten zu Hause versorgen. Dort ist die Quote der Menschen, die in der Klinik sterben, entsprechend geringer. In Bundesländern mit stark ausgebauten stationären Angeboten sterben mehr Menschen in Krankenhäusern.
Ohne direkt auf die aktuelle Debatte über Sterbehilfe einzugehen, sagte Gauck am Montag bei einer Veranstaltung in Berlin: „Ich bin dankbar, dass die Hospizbewegung auch bei uns in Deutschland immer weitere Verbreitung findet. Ich bin froh, dass sie zunehmend nicht mehr als Gegenmodell zur Intensivmedizin diskutiert wird, sondern als eine sinnvolle Ergänzung.“
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), warnt vor einer Strafverschärfung bei der Neuregelung der Sterbehilfe. Werde der Gesetzentwurf von Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD) und anderen beschlossen, „drohen den Ärztinnen und Ärzten Haftstrafen oder zumindest zahlreiche Ermittlungsverfahren in all jenen Fällen, in denen ihre Patientinnen und Patienten keinen Ausweg mehr wissen und sich freiverantwortlich das Leben nehmen“, sagte sie der dpa.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Frank Ulrich Montgomery wies diese Darstellung in einem Brief an die Abgeordneten zurück. Der Zentralrat der Juden in Deutschland appellierte an die Abgeordneten, die möglichen Folgen einer Liberalisierung der derzeit geltenden Rechtslage zu berücksichtigen.
Große Bedenken hegt der Zentralrat vor allem gegen die Anträge einer Koalitionsgruppe um den Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze sowie einer Gruppe um Künast und Petra Sitte (Linke).
Der Brand/Griese-Entwurf, der bisher auf große Zustimmung trifft, sieht das Verbot einer geschäftsmäßigen, auf Wiederholung angelegten Sterbehilfe vor, egal ob Arzt oder Angehöriger. Künast sagte: „Diese neue Strafnorm betrifft uns alle. Denn die bislang geltende Selbstbestimmung am Lebensende lässt Menschen die Möglichkeit, für sich selbst zu bestimmen, wann Schluss sein soll.“
Sie fügte hinzu: „Wir Abgeordnete haben nicht das Recht dazu, diese Menschen dazu zu zwingen, ihren schweren Weg bis zum Ende zu gehen. Ihnen per Gesetz das offene Beratungsgespräch mit dem Hausarzt zu nehmen und sie zur kostspieligen Fahrt in die Schweiz oder auf die Bahngleise zu nötigen, wäre in höchstem Maße unethisch.“
Gauck zeigte laut Redemanuskript Verständnis für den Wunsch nach Sterbehilfe. „Kein Wunder, dass vielen von uns der Gedanke an das eigene Sterben unangenehm ist, dass wir uns, wenn denn das Ende schon unvermeidbar ist, einen schnellen und schmerzlosen Tod wünschen.“ Deshalb könnten sich manche vorstellen, „den nahenden Tod zu beschleunigen und dabei auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen“, sagte er.