Studie: Kinderarmut alarmierend

Gütersloh (dpa) - Kinder- und Familienarmut hat in Deutschland einer Studie zufolge alarmierende Ausmaße angenommen. Die staatliche Unterstützung geht oft am Bedarf vorbei. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Erhebungen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die heute veröffentlicht wurden.

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Jedes fünfte Kind unter 15 Jahren ist demnach armutsgefährdet, wächst also unterhalb der Armutsgrenze auf. Das sind 2,1 Millionen Jungen und Mädchen, die in Familien leben, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Netto-Einkommens zur Verfügung haben. Bei einer vierköpfigen Familie liegt die Schwelle bei 1848 Euro im Monat.

Knapp die Hälfte dieser 2,1 Millionen Kinder lebt in Haushalten, die Hartz IV beziehen. Bei der anderen Hälfte - das sind 1,15 Millionen arme Kinder - ist das allerdings nicht der Fall: Sie leben ohne dieses Unterstützung, obwohl sie teilweise Anspruch darauf hätten. Und: Nur gerade mal knapp über der Armutsschwelle - und zwar mit Hilfe von SGB-II-Leistungen - wachsen weitere rund 480 000 Kinder in Deutschland auf.

Zusammengefasst bedeutet das laut Studie, dass hierzulande drei Viertel aller Kinder in finanziell gesicherten, aber ein Viertel in finanziell unsicheren Verhältnissen groß werden. Die Auswertung der Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt eine deutliche Benachteiligungen von Kindern einkommensarmer Familien im Vergleich zu Haushalten mit gesicherten finanziellen Verhältnissen.

Konkret zeigt sich: Rund 20 Prozent der Kinder, die Grundsicherung beziehen, leben in beengten Verhältnissen. 76 Prozent, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind, können sich keinen Urlaub von mindestens einer Woche leisten. In vielen Fällen lässt das schmale Budget nicht zu, dass Freunde nach Hause eingeladen werden.

Rund 14 Prozent wachsen zudem in Haushalten ohne Internet auf, 38 Prozent in Familien ohne Auto. Und bei 10 Prozent der Kinder besitzen nicht einmal alle Familienmitglieder ausreichende Winterkleidung. Zugleich stellt die repräsentative Erhebung heraus, dass elementare Güter - eine warme Mahlzeit am Tag oder pünktliche Mietzahlungen - in Familien mit Hartz-IV-Bezug meist gewährleistet sind.

Eine zweite Untersuchung, für die Armutsforscher Familien befragt haben, bilanziert: Einkommensschwache Eltern wünschen sich für ihre Kinder vor allem gute Bildung und stellen eigene Bedürfnisse zurück. Sie empfinden es frustrierend, häufig Nein sagen zu müssen aufgrund ihrer schlechten Finanzlage. Eltern klagen zudem über zu viele behördliche Anlaufstellen, bürokratische Hürden und wechselnde Ansprechpartner.

Der Bertelsmann-Stiftung zufolge legt die Befragung offen, dass das staatliche Unterstützungssystem Armut nur unzureichend auffange. Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung, sagte, der Bedarf der Kinder, ihr Wohlbefinden und ihre Teilhabechancen müssten in den Mittelpunkt rücken, die staatliche Grundsicherung solle erhöht werden.

Der DGB nannte die Studie ein Armutszeugnis für die Politik, „besonders für diejenigen in der Regierung, die glauben, eine positive Arbeitsmarktentwicklung löse die Armutsproblematik“. Aber viele neue Niedriglohn-Jobs seien eben nicht armutsfest.