Tausende Flüchtlinge erreichen Sehnsuchtsziel Deutschland

München/Budapest/Luxemburg (dpa) - Nach der Einreisegenehmigung Deutschlands sind bis zu 7000 Flüchtlinge aus Ungarn eingetroffen. Alle zuständigen Stellen von Bund und Ländern bemühten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums um ihre Verteilung.

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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban betonten, die organisierte Weiterreise sei eine Ausnahme gewesen. Hunderte in Ungarn festsitzende Flüchtlinge versuchten aber ebenfalls, ihre Ausreise über Österreich nach Deutschland zu erzwingen. Es sollten aber nur noch von Salzburg aus bis spät in die Nacht Züge nach Deutschland fahren. Aus der CSU gab es Kritik am Vorgehen Merkels.

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Die ankommenden Menschen sollen laut Innenministerium am Wochenende mit Zügen und Bussen auf die Bundesländer verteilt werden. Der hierfür von den Behörden angewandte „Königsteiner Schlüssel“ basiert auf den Steuereinnahmen und Einwohnerzahlen der Länder. Ermöglicht hatte die Einreisen eine Vereinbarung zwischen Berlin, Wien und Budapest, die in Ungarn festsitzenden Menschen ausnahmsweise ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen zu lassen.

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte, die Entscheidung sei mit den Ländern nicht abgesprochen gewesen. Sie sei ein „völlig falsches Signal innerhalb Europas“, das korrigiert werden müsse, sagte der CSU-Politiker am Abend in Passau beim Besuch einer Polizeidienststelle.

Die „Bild am Sonntag“ berichtete, das CSU-Präsidium habe in einer Telefonkonferenz die Einreiseerlaubnis einstimmig als „falsche Entscheidung des Bundes“ gerügt. Beim Koalitionsausschuss von Union und SPD am Sonntagabend wolle die CSU die Aufnahmefähigkeit Deutschlands thematisieren und Maßnahmen zur Begrenzung des Flüchtlingsandrangs verlangen.

Merkel mahnte in ihrem Video-Podcast, bei der Unterbringung und Integration dauerhaft in Deutschland bleibender Menschen müsse „jede Ebene - Länder, Kommunen und auch der Bund - ihren fairen Anteil tragen“.

Zur ersten Anlaufstelle der Flüchtlinge wurde München. Ab dem Mittag trafen dort im Stundentakt Züge mit jeweils mehreren hundert Flüchtlingen vor allem aus Syrien ein. Auch in anderen Städten wie Saalfeld in Thüringen kamen Migranten an. Die Deutsche Bahn setzte Sonderzüge ein und stockte ihr Personal auf.

In Budapest und mehreren ungarischen Aufnahmelagern brachen derweil erneut mehrere hundert Flüchtlinge zu Fuß Richtung Österreich auf. Im Ostbahnhof der Hauptstadt strömten wieder mindestens 1000 neu angereiste Flüchtlinge zusammen. Vor dem Haupteingang organisierten Syrer am Nachmittag einen Sitzstreik mit ungefähr 300 Menschen, um erneut Busse zur österreichischen Grenze einzufordern.

Beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg betonte der deutsche Ressortchef Frank-Walter Steinmeier allerdings: „Die Hilfe in der gestrigen Notlage war verbunden mit der dringenden Mahnung dafür, daraus gerade keine Praxis für die nächsten Tage zu machen.“ Offen ist daher, wie Deutschland und die EU-Partner mit dem weiteren Flüchtlingszustrom grundsätzlich umgehen und diesen gerechter verteilen wollen. Eine Quote hierfür werde von einigen Ländern zwar weiter abgelehnt, sagte Steinmeier. Zugleich scheine es aber die Bereitschaft zu geben, „sich stärker (...) an einer europäischen Gesamtverantwortung zu beteiligen“.

Der SPD-Politiker forderte einen Flüchtlingsgipfel der EU-Staaten Anfang Oktober. Grundsätzlich müsse es aber dabei bleiben, dass derjenige Mitgliedstaat für ein Asylverfahren verantwortlich sei, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betrete.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trifft derweil Vorsorge, um die steigenden Flüchtlingskosten finanzieren zu können. Nach einem Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs in Ankara sagte er, der in diesem Jahr erwartete Milliarden-Überschuss solle als künftiger Puffer genutzt werden. Dafür sei ein entsprechender Nachtragsetat nötig.

Voraussichtlich Anfang Oktober soll der EU-Militäreinsatz gegen kriminelle Schleuser im Mittelmeer ausgeweitet werden, so dass deren Schiffe außerhalb libyscher Küstengewässer notfalls mit Waffengewalt gestoppt und zerstört werden dürfen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht dafür ausreichend Rückendeckung der Mitgliedstaaten.

Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es, der Bundestag könne bereits Anfang Oktober über ein Mandat abstimmen. Dieses gilt als notwendig, weil beteiligte deutsche Soldaten im Notfall von der Waffe Gebrauch machen würden. Derzeit ist die Militäroperation auf das Sammeln von Informationen und die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge begrenzt.