Thema im „Tatort“ und bei Günther Jauch: Traumata bei Soldaten
Männer wie der Ex-Fallschirmjäger Robert Sedlatzek-Müller erlebten das Grauen — und verloren dadurch ihr früheres Leben.
Stade. Vier Männer auf der Suche nach Normalität. Vier Männer, die sich nichts sehnlicher wünschen, als in ihr altes, vertrautes Leben zurückzukehren.
Doch zwischen damals und jetzt liegen Monate des Kriegs. Tausende Kilometer entfernt, am Hindukusch, haben Sprengsätze, Tod und Ungewissheit ihre Seelen zermürbt. Ihr altes Leben ist noch da — aber sie selbst sind zu anderen Menschen geworden.
Im Tatort „Heimatfront“, der am Sonntagabend in der ARD lief, beschäftigt sich Regisseur Jochen Freydank mit diesen vier Kriegsheimkehrern und versucht, den inneren Krieg der Soldaten zu skizzieren, den sie noch lange nach dem Kampfeinsatz führen.
Jetzt, da sich der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan nähert, stellt sich die Frage, was der Einsatz mit einer Generation von Soldaten gemacht hat. So wie mit Robert Sedlatzek-Müller (34). Der ehemalige Zeitsoldat hat in diesem Krieg unaussprechliches Grauen erlebt.
Mit 21 Jahren absolviert er seinen ersten Auslandseinsatz auf dem Balkan. Er sieht sterbende Menschen, riecht Massengräber und sieht Kinder, die ihn um Hilfe anbetteln. Eindrücke, die der junge Mann nicht verarbeiten kann. Stattdessen betäubt er im Camp seine Sinne mit Dosenbier.
„Ich habe mich extrem verändert und zurückgezogen“, sagt er heute. Er selbst bemerkt es nicht. Seine Familie schon. Doch sie kommt nicht mehr an ihn heran. Darüber sprachen er und seine Mutter Am Sonntagabend bei Günther Jauch. Titel: „Trauma Afghanistan — welche Spuren hinterlässt der Krieg?“
Trotz des Traumas geht der Fallschirmspringer 2002 und 2005 wieder freiwillig in den Auslandseinsatz. Nach Afghanistan. Bei der missglückten Entschärfung einer russischen Luftabwehrrakete im März 2002 sterben fünf deutsche und dänische Isaf-Soldaten. Der 34-Jährige steht nur wenige Schritte entfernt und wird verletzt.
Zurück in Deutschland werden die körperlichen Wunden versorgt. Doch dann kommen die schlaflosen Nächte, die Schuldgefühle. Und sie bleiben. Dass es nicht normal ist, begreift er erst spät. 2009 wird bei ihm eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert — mögliche Folge traumatischer Erlebnisse, die erst nach Monaten oder Jahren auftritt. Laut Bundeswehr erkrankten im vergangenen Jahr 194 Soldaten neu daran.
Auch heute noch, mehr als zehn Jahre nach seinem ersten Einsatz, hat der Mann, der einst Elitesoldat war, nicht dahin zurückgefunden, was er sein altes Leben nennen würde. Die Albträume verschwinden nicht. Alltägliches wie Einkaufen ist für ihn eine kaum überwindbare Hürde. Menschenmassen führen zu Panikattacken. Vielleicht wird sie nie aufhören, die Suche des zweifachen Vaters nach Normalität. Krieg vergisst man nicht.