Opposition hält im Fiskalpakt-Streit Druck hoch

Berlin (dpa) - Alles auf Anfang im Fiskalpakt-Streit: Ein Kompromiss schien schon in Reichweite - jetzt droht die Opposition wieder mit ihrem Nein. Für Ärger sorgt eine vom „Spiegel“ zitierte Pofalla-Äußerung: Die von Rot-Grün verlangte Börsensteuer komme bis zur Wahl sowieso nicht.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangt von Schwarz-Gelb weitere Zugeständnisse. Beim Thema Wachstum und Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit habe die Koalition außer Überschriften noch nicht viel geliefert: „Hier muss es in den nächsten Tagen noch Bewegung geben“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

Die von Rot-Grün vehement geforderte Finanztransaktionssteuer ist nach „Spiegel“-Informationen längst nicht in trockenen Tüchern. Bei Schwarz-Gelb gebe es trotz der grundsätzlichen Einigung vom Donnerstag Widerstand. Vor der nächsten Bundestagswahl werde es eine solche Steuer nicht geben, zitierte das Magazin Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU). Daher könne man der SPD ruhig entgegenkommen, habe dieser in kleiner Runde erklärt.

Auch in der FDP hält man ein Inkrafttreten der Steuer laut „Spiegel“ für unwahrscheinlich: Die vom FDP-Finanzexperten Volker Wissing parteiübergreifend ausgehandelten Bedingungen seien so formuliert, dass es die Steuer nicht geben werde, zitiert das Magazin aus der FDP-Fraktion. Am Donnerstag hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel das vermeintliche Entgegenkommen von Schwarz-Gelb beim heftig umstrittenen Thema Börsensteuer schon als „180-Grad-Wende“ gefeiert.

Der Parlamentarische Grünen-Geschäftsführer Volker Beck kritisierte die vom „Spiegel“ zitierte Pofalla-Bemerkung: „Wer trickst, riskiert ein Scheitern des Fiskalpakts.“ Bei der Börsensteuer seien belastbare Verabredungen gefragt - „Sankt Nimmerleinstag ist nicht, Herr Pofalla“. Becks SPD-Amtskollege Thomas Oppermann erklärte, Pofallas Äußerung sei ein Rückschritt. „Ronald Pofalla hat den Ernst der Lage in Europa nicht verstanden, wenn er jetzt mit parteipolitischen Winkelzügen beginnt. Wir brauchen ein unumkehrbares Bekenntnis zur Einführung der Finanztransaktionssteuer. Formelkompromisse wird es mit der SPD nicht geben.“

Über den Kurznachrichtendienst Twitter entgegnete der Parlamentarische Unions-Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer, es sei nicht gerade konstruktiv, „den anderen in laufenden Verhandlungen schon als Falschspieler“ zu bezeichnen.

Für eine Billigung des Fiskalpakts für mehr Haushaltsdisziplin in Europa ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Die schwarz-gelbe Koalition ist deshalb auf die Unterstützung von SPD und Grünen angewiesen. An diesem Mittwoch treffen sich die Spitzen von Koalition und Opposition zur Schlussrunde ihrer Verhandlungen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

SPD und Grüne verlangen, dass die Bundesregierung auch die Idee eines Schuldentilgungsfonds für Euro-Staaten aufgreift, was diese aber ablehnt. „Das wäre genau die Vergemeinschaftung der Schulden, die wir nicht wollen“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der „FAS“. Auch die Zustimmung zu Konjunkturpaketen schloss er aus. Dauerhaftes Wachstum sei nur durch Strukturreformen zu erzielen.

Die Union rechnet weiter damit, dass sich Koalition und Opposition diese Woche einigen. „Ich bin zuversichtlich, dass SPD und Grüne für den Fiskalpakt stimmen. Und zwar vor der Sommerpause“, sagte Kauder. Er nannte die Einigung auf Eckpunkte zur Finanztransaktionssteuer einen „klassischen Kompromiss“: „Damit müsste der Opposition die Zustimmung zum Fiskalpakt möglich sein.“

Unmittelbar nach dem Treffen mit Merkel am Mittwoch brechen die drei SPD-Spitzenpolitiker Gabriel, Steinmeier und Peer Steinbrück nach Frankreich auf. Der französische Präsident François Hollande will sie im Élysée-Palast empfangen, um die Strategie in der Europa-Politik abzustimmen. Eine entsprechende Information der „Bild am Sonntag“ wurde der Nachrichtenagentur dpa bestätigt.

An diesem Donnerstag will Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder über den Fiskalpakt beraten. Auch die SPD-geführten Bundesländer stellen weiterhin harte Bedingungen für ein Ja im Bundesrat. Nach einem Positionspapier, das der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vorliegt, verlangen sie, dass der Bund mögliche Strafzahlungen an die EU vollständig übernimmt. Intern heißt es dem Blatt zufolge, dass sich diese Forderung vor allem auf den Zeitraum bis 2020 bezieht, denn bis dahin gehe der Fiskalpakt über die Vorschriften der deutschen Schuldenbremse hinaus.

Zusammen mit Bayern, das einen entsprechenden Antrag bereits in den Bundesrat eingebracht hat, verlangen die SPD-geführten Länder auch, dass der Bund die bisher von den Kommunen aufgebrachten Leistungen für die Eingliederungshilfe von behinderten Menschen schrittweise übernimmt. 2010 erhielten rund 630 000 Personen diese Leistungen in einer Gesamthöhe von immerhin 12,4 Milliarden Euro.