Union mit Sympathie für Grüne
Berlin (dpa) - In der Union werden vor den schwierigen Gesprächen mit der SPD über eine Regierungsbildung die Stimmen für eine Öffnung zu den Grünen lauter.
Mit Armin Laschet und Thomas Strobl zeigen die Chefs der großen CDU-Verbände Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Sympathie für eine Zusammenarbeit mit der viertgrößten Fraktion im Bundestag. Schwarz-grüne Sondierungsgespräche sind für Ende kommender Woche geplant. Laut „Spiegel Online“ wollen die Grünen ihre Sondierungskommission auf Augenhöhe mit CDU und CSU aufstocken. Unter anderem soll nun der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann teilnehmen. Er steht für ernsthafte Verhandlungen mit der Union.
Bisher wollten die Grünen die Spitzenkandidaten des Wahlkampfs, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, sowie die Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir in die Sondierungsgespräche mit der Union schicken. Nach Angaben von „Spiegel Online“ soll die Grünen-Delegation nun aber sieben Mitglieder haben - wie jeweils CDU und CSU auch. Neben Kretschmann sollen demnach NRW-Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann und die beiden künftigen Fraktionschefs dabei sein. Deren Wahl ist, als Favoriten gelten Anton Hofreiter und Göring-Eckardt.
Ein Grünen-Sprecher sagte der dpa, der Bundesvorstand der Partei werde an diesem Montag über eine Erweiterung der Sondierungskommission beraten und dann entscheiden.
CDU-Vize Laschet verband Kritik am Auftreten der SPD mit Lob für die Grünen. Diese analysierten „offen ihre Fehler und stellen sich neu auf“, während die SPD lautstark die gleichen Dinge fordere wie im Wahlkampf, sagte der Vorsitzende der NRW-CDU der „Rheinischen Post“. Ähnlich hatte sich zuvor CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe geäußert.
Laschets baden-württembergischer Amtskollege Thomas Strobl sagte der „Berliner Zeitung“, die Zahl der Unionsabgeordneten, die nicht mit der Regierung stimmten, könne wegen der Koalitionsmehrheit noch zunehmen. Es sei sinnvoll, ernsthaft mit den Grünen zu sprechen. Auch Bayerns Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) plädierte für Schwarz-Grün. „Ich bin überzeugt, dass das ein Experiment wäre, das man versuchen sollte“, sagte er dem Radiosender Antenne Bayern. Die CDU-Fraktionschefs von Baden-Württemberg und Thüringen, Peter Hauk und Mike Mohring, plädierten ebenfalls für Schwarz-Grün im Bund.
Der voraussichtliche Grünen-Fraktionschef Hofreiter sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag): „Wir haben gewählte Parteivorsitzende, und die Spitzenkandidaten sind von der Basis bestimmt worden. Wir sind jederzeit handlungsfähig.“
Die Linkspartei versuchte erneut, SPD und Grüne für eine parlamentarische Initiative zur Abschaffung des Betreuungsgeldes und zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zu gewinnen. Vieles spreche dafür, dass es mehrere Monate bis zur Regierungsbildung dauern könne, heißt es in einem auch der dpa vorliegenden Brief der Linken-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie von Fraktionschef Gregor Gysi an SPD und Grüne. „Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen darf.“
Über das Schreiben, in dem sich die Linke erstmals offiziell an die Spitzen von SPD und Grünen wendet, hatte zuerst die „Welt“ berichtet. Vertreter von SPD und Grünen haben eine solche Zusammenarbeit bisher abgelehnt.
Neue Forderungen an eine künftige Regierung kamen aus der SPD und vom Städtetag. Der baden-württembergische Europaminister Peter Friedrich (SPD) erklärte, ohne eine deutliche Kurskorrektur der Union in der Europapolitik werde es keine große Koalition geben. Der Städtetag forderte eine stärkere Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben und mehr Investitionen in Straßen und Schienen.
Bundespräsident Joachim Gauck traf mit SPD-Chef Sigmar Gabriel zusammen, um sich über den Kurs der Sozialdemokraten bei den anstehenden Verhandlungen zu informieren. Bis Freitag wollte sich Gauck auch mit den Chefs von Linkspartei, Grünen und CSU treffen. Über das Ergebnis der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Am Montag hatte Gauck mit Kanzlerin Angela Merkel gesprochen.
Union und SPD wollen an diesem Freitag inhaltliche Chancen für eine Zusammenarbeit ausloten, in einer Runde aus je sieben Vertretern von CDU, CSU und SPD. Erst später soll ein Parteikonvent der SPD über die Aufnahme formeller Koalitionsgespräche entscheiden. Ein solcher Konvent dürfte aber erst nach den Sondierungen der Union mit den Grünen Ende kommender Woche sinnvoll sein. Die Union will sich damit möglichst viele Optionen für eine Regierungsbildung offenhalten.
Nach dem „Stern-RTL-Wahltrend“ von Forsa hat sich in der Woche nach der Bundestagswahl kaum etwas an den Werten für die Parteien geändert. In einer separaten Forsa-Umfrage für den „Stern“ begrüßten es 48 Prozent, wenn eine große Koalition gebildet würde. 21 Prozent bevorzugten Schwarz-Grün, 15 Prozent wäre eine Minderheitsregierung der Union am liebsten.