„Spiegel“: Finanzministerium lässt höhere Reichensteuer durchrechnen
Berlin (dpa) - Vor möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD lässt das Bundesfinanzministerium nach Angaben des „Spiegels“ eine Anhebung der Reichensteuer durchrechnen. Eine Sprecherin wies den Bericht des Nachrichtenmagazins auf Anfrage der dpa zurück.
Laut „Spiegel“ wies Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Mitte vergangener Woche seine Fachleute an, entsprechende Modelle für die anstehenden Koalitionsverhandlungen vorzubereiten. Das Ministerium bezeichnete dies als unzutreffend.
Sowohl SPD als auch Grüne hatten sich im Wahlkampf für höhere Steuern ausgesprochen. Schäuble hatte dies abgelehnt. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, sagte die Sprecherin. „Alle anderslautenden Medienspekulationen sind unbegründet. Auch die Behauptung, es gäbe Rechenaufträge an Fachleute, ist unzutreffend.“
Vor einigen Tagen sorgte Schäuble allerdings für Spekulationen, als er in einem Interview Steuererhöhungen einer künftigen Regierungskoalition nicht ausdrücklich ausschloss. Daraufhin versuchte die Unions-Führung Mutmaßungen über ein Aufweichen ihrer Wahlversprechen zu beenden. „Es gilt uneingeschränkt unser Wahlprogramm: Steuererhöhungen lehnen wir ab“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.
Laut „Spiegel“ könnte der Höchstsatz der Einkommensteuer, der derzeit bei 45 Prozent liegt und bei einem Einkommen von rund 250 000 Euro bei Ledigen einsetzt, nach den Berechnungen auf 46 bis 48 Prozent steigen. Mit diesem in der Union höchst umstrittenen Schritt wolle Schäuble der SPD entgegenkommen. Zudem kalkulierten Sozialpolitiker von Union und SPD für ihre Renten- und Pflegebeiträge höhere Beiträge ein. Auch über eine Anhebung der Mehrwertsteuer wird laut „Spiegel“ nachgedacht. Nach der Wahl 2005 hatte die große Koalition aus Union und SPD eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent durchgesetzt.
Im Gegenzug sollten nun alle Tarife des Steuersatzverlaufs vom Eingangssteuersatz bis hin zum Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst bei höheren Einkommen als bisher greifen. Mit dieser Maßnahme wolle Schäuble die sogenannte kalte Progression mildern. Dabei werden inflationsbedingt steigende Einkommen höher belastet, ohne dass sich die Arbeitnehmer besserstellen. Auf eine Wiedereinführung der Vermögensteuer wolle er sich nicht einlassen, so der „Spiegel“.
Das Bundesfinanzministerium bestätigte, dass Schäuble unverändert den Abbau der kalten Progression anstrebe. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abbau der Kalten Progression sei in der jetzt auslaufenden Legislaturperiode an Rot-Grün im Bundesrat gescheitert.
Aus der deutschen Wirtschaft kommen deutliche Warnungen vor Steuererhöhungen. „Die Union sollte nicht vergessen, für welche wesentlichen Versprechen sie gewählt worden ist“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, in einem SWR-Interview. Sollte die Union ihr Wahlversprechen in Sachen Steuern brechen, hätte dies nach Auffassung des DIHK-Präsidenten einen gravierenden Vertrauensverlust zur Folge.