Union und SPD: Fleißige Bienchen ohne Plan

Täglich wird um eine große Koalition verhandelt, doch Entscheidungen werden vertagt.

Berlin. Zwölf Arbeitsgruppen plus vier Unterarbeitsgruppen plus eine Steuerungsrunde plus eine „große Runde“ mit 75 Teilnehmern — in den Verhandlungen um eine große Koalition geht es emsig zu wie in einem Bienenstock.

270 verschiedene Politiker sind beteiligt, alles, was bei CDU, CSU und SPD Rang und Namen hat. Täglich finden parallel mehrere Treffen statt, allein am Montag sind zehn geplant.

Weit gekommen ist man bisher nicht. Das hat auch mit dem Verfahren zu tun. Bauherren wissen, wie viel Geld sie zur Verfügung haben, suchen sich ein Grundstück und lassen sich dann von einem Architekten einen Entwurf machen. Hier ist es andersherum.

Die Großkoalitionäre reden schon über die Zimmer. Derweil wissen sie noch nicht, wie groß das Haus werden und wie es aussehen wird. Das liegt vor allem daran, dass sie nicht wissen, wie viel Geld sie für den Bau zur Verfügung haben. Und ob sie überhaupt bauen werden.

Wenn man Gemeinsamkeiten feststellt, dann über Binsenweisheiten. Etwa, als man formulierte, dass man die deutsche Verantwortung für Europa an- und wahrnehmen wolle. Außerdem einigt man sich schnell auf Wünsche, die beide Seiten immer schon hatten, wie die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben.

Oder, dass die Pflege ausgebaut werden soll. Leicht ist die Verständigung auch bei Dingen, die man, wie die Finanztransaktionssteuer, im Bundestag schon gemeinsam beschlossen hat. Alles andere landet auf der „Klären wir später“-Liste.

So wachsen zwei Entscheidungsberge heran, die bis Ende November abgetragen werden müssen. Dann beginnt die heiße Phase der Verhandlungen. Einer der Berge besteht aus ungelösten Detailfragen — Maut, Bankenunion, erneuerbare Energien, Mindestlohn, Leiharbeit, Zukunft der Privatkassen, Mütterrente, Solidarrente, Betreuungsgeld, Frauenquote, doppelte Staatsbürgerschaft, Vorratsdatenspeicherung, Rüstungskontrolle und vieles mehr.

Der andere Berg heißt Finanzierung. Die Schuldenbremse soll eingehalten werden, aber neue oder höhere Steuern soll es nach dem Willen der Union nicht geben — ein Dilemma, das durch den höchst fragwürdigen Griff in die Sozialkassen, also das Vermögen der Beitragszahler, gelöst werden soll.

Freilich wird das nicht reichen, so dass am Ende der Rotstift durch das Regierungsprogramm fegen wird. Ob das, was so entstehen wird, noch politische Architekturpreise verdient, bleibt abzuwarten.