Merkel und Gabriel betonen Kompromissbereitschaft
Berlin/Greifswald (dpa) - Seit eineinhalb Wochen verhandeln Union und SPD weitgehend geräuschlos über eine große Koalition. Doch: Die großen Brocken liegen noch vor ihnen. Angela Merkel und Sigmar Gabriel stimmen die Basis auf Kompromisse ein.
„Wir wissen, dass wir in der Frage des Mindestlohns kompromissbereit sein müssen“, sagte Merkel bei einem CDU-Landesparteitag in Greifswald. Auch Gabriel verlangte von seiner Partei Realismus. Es sei eine Illusion zu glauben, dass Merkel in einem Koalitionsvertrag zu 100 Prozent das SPD-Programm unterschreibe, sagte er in Berlin.
Die finanziellen Spielräume für die neue Regierung sind nach Darstellung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ohnehin nicht groß. „Die Steuereinnahmen sprudeln nicht“, sagte Schäuble dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“. Die neue Steuerschätzung werde zeigen, dass man nicht im Geld schwimme, so dass es für die Koalitionsverhandlungen „nur begrenzte Spielräume“ gebe.
Experten von Bund, Ländern, Kommunen und Forschungsinstituten kommen an diesem Dienstag in Bremerhaven zu Beratungen über die nächste Steuerschätzung zusammen. Nach Medienberichten ist zwar mit mehr Einnahmen zu rechnen als noch im Mai geschätzt. Das zusätzliche Plus wird laut „Handelsblatt“ aber vergleichsweise gering ausfallen. So gingen die Experten des Bundesfinanzministeriums für 2013 von einem Plus für den Gesamtstaat von fünf Milliarden Euro aus.
Gabriel warb bei der SPD-Basis um Kompromissbereitschaft. „Kann es sich eine Partei wie die SPD leisten, alles oder nichts zu sagen? Meiner Meinung (nach) ist das falsch“, sagte er bei einem Parteitag der Berliner Sozialdemokraten. Gabriel legte sich aber erneut darauf fest, dass es keinen Koalitionsvertrag ohne gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro geben wird.
Zu den weiteren Zielen zählte er die Angleichung der Renten in Ost und West, die doppelte Staatsbürgerschaft, gleichen Lohn für Männer und Frauen sowie eine Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Wenn die SPD nicht einige dieser Verbesserungen durchsetzen könne, werde er gar nicht erst zum Mitgliederentscheid antreten, sagte Gabriel. Nach den Verhandlungen sollen die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen.
Gabriel musste sich bei dem Parteitag immer wieder kritischen Zwischenrufen stellen. Der mehrheitlich linke Berliner Landesverband lehnt eine große Koalition ab. SPD-Landeschef Jan Stöß kritisierte, Rot-Grün habe „zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Machtoption“ gehabt. Er forderte: „Es darf nie wieder dazu kommen, dass wir über dieses Stöckchen der Union springen, vor der Wahl zu sagen, wir reden gar nicht mit der Linken.“
Merkel machte deutlich, dass sie die Koalitionsverhandlungen nicht an einem Mindestlohn scheitern lassen will. Man dürfe nicht vergessen, dass 350 000 Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung auf staatliche Hilfe angewiesen seien, sagte die CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Greifswald. „Das sind 350 000 zu viel. Und deshalb reden wir auch über den Mindestlohn.“ Es müssten aber Lösungen gefunden werden, die bestehende Arbeitsplätze nicht gefährdeten.