Endspurt Union und SPD: „Koalitionsvertrag nimmt langsam Gestalt an“
Berlin (dpa) - Die Spitzen von CDU, CSU und SPD sehen Fortschritte in ihren Koalitionsverhandlungen, wagen aber noch keine Prognose für einen Abschluss an diesem Sonntag.
„Der Koalitionsvertrag nimmt langsam Gestalt an. Ob er zum Abschluss kommt, werden wir allerdings erst morgen konkreter sagen können“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Samstagabend nach etwa elfstündigen Beratungen in der CDU-Zentrale in Berlin im Namen aller drei Verhandlungspartner.
„Wir haben in allen drei Parteien die Absicht und auch den Willen, den Zeitplan einzuhalten“, sagte Grosse-Brömer - ursprünglich hatten CDU, CSU und SPD geplant, an diesem Sonntag die Verhandlungen abzuschließen. Auch die Menschen im Land erwarteten, dass langsam eine Regierung gebildet werde. Zunächst müssten aber die Beratungen am Sonntag abgewartet werden, um dies seriös beurteilen zu können. Der Sonntag werde entsprechend spannend werden.
Es sei noch nicht alles unter Dach und Fach, weitere Verhandlungen seien nötig, sagte der CDU-Politiker. Dies gelte auch für die Bereiche Arbeit und Gesundheit sowie Wohnen und Mieten. Wobei es im letzteren Bericht vorsichtige Fortschritte gebe. Man beginne bereits mit vorsichtigen redaktionellen Arbeiten. Dies diene nicht zur Aufarbeitung von politischen Unterschieden, sondern etwa um begriffliche Missverständnisse zu vermeiden. Als dicker Brocken galt nach Angaben aus Verhandlungskreisen der Bereich Wohnen.
Teileinigungen erzielten die Gesprächspartner am Samstag in den Bereichen Klima und Energie sowie Landwirtschaft. So konkretisierten Union und SPD ihre Pläne zur Einführung eines staatlichen „Tierwohllabels“ für Fleisch im Supermarkt. Die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen sollen „bis zur Mitte“ der Wahlperiode geschaffen werden - also bis Ende 2019. Das sieht ein Papier der Koalitionsverhandlungen zum Thema Agrar vor, das der Deutschen Presse-Agentur in Auszügen vorliegt.
Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) sagte, die drei Parteien hätten sich auch auf ein Ziel für den Ökolandbau geeinigt. Demnach sollen bis 2030 insgesamt 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen dafür genutzt werden. Rehlinger kündigte auch einen Vorstoß für gesündere Lebensmittel an. „Noch in diesem Jahr wird es ein Konzept mit Zielmarken und Zeitplan geben, um Zucker, Fett und Salz im Essen zu reduzieren“, sagte sie.
Drohende Diesel-Fahrverbote in Städten will eine mögliche große Koalition verhindern und den schleppenden Ausbau der Elektromobilität beschleunigen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) räumte aber ein: „Wir wissen nicht, ob wir Fahrverbote werden vermeiden können.“ Eine vor allem von Umweltverbänden geforderte Einführung einer blauen Plakette sei in den Koalitionsverhandlungen kein Thema gewesen.
NRW-Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet sagte, es sei der Wille aller von Union und SPD, dass es keine Fahrverbote geben solle. Er verwies auf ein auf den Weg gebrachtes Milliarden-Programm für saubere Luft in Städten. Man wolle weder Fahrverbote noch eine blaue Plakette, sagte CSU-Unterhändler Georg Nüßlein. Weil in vielen Städten Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten werden, drohen Diesel-Fahrverbote.
Hendricks bekräftigte, man prüfe Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen direkt am Motor, falls diese sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar seien. Die Autobranche lehnt solche Hardware-Nachrüstungen vor allem aus Kostengründen bisher ab - weil eine Umsetzung lange dauern würde, aber die Auswirkungen nicht sicher seien.
Die Union pocht im Bereich Wohnen und Mieten auf die Einführung eines „Baukindergelds“, also staatliche Zuschüsse für Familien mit Kindern, die Wohneigentum erwerben wollen. Die SPD ist dagegen und verlangt stattdessen Beschlüsse zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und zur Eindämmung von Immobilienspekulationen. So soll Kommunen der Erwerb bundeseigener Grundstücke und Immobilien erleichtert werden.
Die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) hatten zu Beginn der Endphase der Verhandlungen betont, sie rechneten mit schwierigen Verhandlungen.