Union und SPD wollen Energiewende-Reform festzurren
Berlin (dpa) - Nach knapp dreiwöchigen Koalitionsgesprächen wollen Union und SPD erste zentrale Entscheidungen festzurren. In der großen Verhandlungsrunde stehen an diesem Montag drastische Korrekturen bei der Energiewende im Fokus, die den Anstieg der Strompreise stoppen sollen.
Besiegelt werden soll auch eine Mietpreisbremse vor allem für begehrte Großstadtviertel. Am Wochenende vereinbarten schwarz-rote Fachpolitiker zudem gesetzliche Vorgaben, die den großen Lohnrückstand von Frauen gegenüber Männern verkleinern sollen. Höhere Leistungen für Kinder drohen aus finanziellen Gründen zu scheitern.
Mit deutlichen Korrekturen bei der Energiewende wollen Union und SPD eine drohende weitere Kostenexplosion vermeiden. Dazu will eine große Koalition die Förderung von Ökostrom verringern, Rabatte für die Industrie überprüfen und die Ausbauziele für Windparks auf See eindampfen. „Wir werden die Umsetzung der Energiewende planbarer, berechenbarer und dauerhaft bezahlbar gestalten“, sagte der amtierende Umweltminister Peter Altmaier (CDU).
Die Arbeitsgruppen-Leiterin der SPD-Seite, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, sagte: „Bei Wind an Land werden wir die Fördersätze senken, insbesondere an windstarken Standorten.“ Bei Windparks in Nord- und Ostsee wird das Ausbauziel bis zum Jahr 2020 von 10 000 auf 6 500 Megawatt (MW) gesenkt. Bis 2030 sind nur noch 15 000 statt 25 000 MW geplant.
Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter bezeichnete die Beschlüsse in der „Rheinischen Post“ (Montag) als „reinstes Harakiri“ und monierte: „Die erneuerbaren Energien werden ausgebremst, während für alte Kohlekraftwerke neue Subventionen winken.“
Stellung nehmen soll die große schwarz-rote Runde mit mehr als 70 Politikern auch zu einem „Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen“. Nach Plänen der Arbeitsgruppe sollen die Länder festlegen können, wo bei Neuvermietungen die neue Miete nur maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen darf. Den Makler soll derjenige bezahlen, der ihn bestellt. Bereits beschlossen hat die große Runde Elemente einer künftigen Europa-, Wirtschafts- und Außenpolitik.
Den erheblichen Lohnrückstand von Frauen zu Männern wollen Union und SPD verkleinern. Firmen, die der Mitbestimmung unterliegen, und der öffentliche Dienst sollen intern anonymisierte Entgeltberichte erstellen. Mit Beteiligung der Betriebsräte sollen dann „verbindliche Verfahren“ vereinbart werden, um „erwiesene Entgeltdiskriminierung“ zu beseitigen. In der AG Umwelt wurde vereinbart, an der Planung von Großprojekten wie Flughäfen stärker die Anwohner zu beteiligen. Außerdem soll eine „Tierwohl-Offensive“ gestartet werden.
Die Bildungspolitiker von Union und SPD setzten ihre Verhandlungen am Sonntagabend fort. Dabei sollte es vor allem um eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen und um mögliche Bundeshilfen beim Ausbau von Ganztagsschulen gehen. Mit einem Durchbruch sei noch nicht zu rechnen, hieß es übereinstimmend aus Verhandlungskreisen.
Ungewiss ist bei zahlreichen Vorhaben die Finanzierung. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte „Spiegel Online“, am Ende dürfte deutlich werden: „Eine maßvolle Steuererhöhung für wenige Spitzenverdiener und Vermögende in diesem Land wäre ein wichtiger Beitrag, um die Lebenssituation vieler Menschen zu verbessern.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte jedoch der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Sollten wir ein gerechteres Steuersystem mit CDU/CSU nicht hinbekommen - wonach es zugegebenermaßen derzeit aussieht - bleiben ja noch viele andere Themen, bei denen wir etwas bewegen können.“
CSU-Chef Horst Seehofer rückte bereits von der Unions-Forderung nach Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen ab. „Ich sehe derzeit nicht, woher die Milliardenbeträge kommen sollen“, zitiert ihn der „Spiegel“. „Diese Leistungen standen im Wahlprogramm unter Finanzierungsvorbehalt, und dann kann man jetzt nicht so tun, als wären sie ohne Rücksicht auf die Finanzen versprochen worden.“
Bei ihrer Forderung nach einer Pkw-Maut gerät die CSU unter Druck, ein konkreteres Modell vorzulegen. SPD und führende CDU-Politiker machten deutlich, dass beim Ausgleich für deutsche Autofahrer über die Kfz-Steuer Klarheit nötig sei.
Beim Staatsbürgerschaftsrecht brachte die CDU neue Lösungsansätze ins Spiel. Die von der SPD geforderte generelle doppelte Staatsbürgerschaft lehnt sie weiter ab. CDU-Rechtsexperte Günter Krings sagte aber der dpa: „Wer sich mit 23 für die türkische und gegen die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden hat, der soll sein Leben lang in der Lage sein können, zur deutschen Staatsbürgerschaft zurückzukehren.“