Einigung bei Sondierungen Union und SPD wollen Flüchtlingspolitik verschärfen
Berlin (dpa) - Ein gedeckelter Zuzug von Migranten, zentrale Asylzentren und ein stark gedrosselter Familiennachzug: Die Spitzen von Union und SPD haben sich in ihren Gesprächen über eine neue große Koalition auf einen schärferen Kurs in der Flüchtlingspolitik geeinigt.
Der Flüchtlingszuzug soll die Zahl von 180.000 bis 220.000 pro Jahr nicht überschreiten, wie es in dem Ergebnispapier vom Freitag heißt. Zudem sollen Asylverfahren künftig in „zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“ stattfinden. Auch sollen mehr Länder, aus denen Migranten aufbrechen, zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Pro Asyl, Linke und Grüne kritisierten die Vorhaben.
Der monatelang höchst umstrittene Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll eng begrenzt werden. In einer Neuregelung soll er auf 1000 Menschen pro Monat gedeckelt werden. Familiennachzug wird laut dem Papier nur gewährt, wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen worden sind, keine schweren Straftaten begangen wurden, es sich nicht um Gefährder handelt und eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist.
In den geplanten zentralen Entscheidungseinrichtungen sollen „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung“ stattfinden, heißt es in dem Papier. „Wir streben an, nur diejenigen auf die Kommunen zu verteilen, bei denen eine positive Bleibeprognose besteht. Alle anderen sollen, wenn in angemessener Zeit möglich, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.“
Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung sollen dem Papier zufolge Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Asyl-Anerkennungsquote unter fünf Prozent zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Ein Staat stuft Länder als sichere Herkunftsländer ein, um Asylbewerber von dort einfacher in ihre Heimat zurückschicken zu können. In Deutschland stehen bislang acht Staaten auf dieser Liste.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bewertete die Ergebnisse als „menschlich bedrückend und menschenrechtsschädigend“. „Das ist ein Sieg der Hardliner über Humanität und Menschenrechte“, erklärte die Organisation.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach dagegen von einem „klugen Ergebnis“ zum Familiennachzug. Schon nächste Woche solle ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden, der zunächst die Aussetzung des Familiennachzugs um einige Monate verlängere. Dann solle der neue Mechanismus eingeführt werden. „Der Rechtsanspruch auf Familiennachzug wird abgeschafft und stattdessen wird, wenn sie so wollen, als freiwillige Leistung eine ungefährliche Möglichkeit für Familienangehörige nach Deutschland zu kommen ermöglicht.“
Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, begrüßte, dass es überhaupt wieder einen Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge geben soll. Damit hätten die Sozialdemokraten deutlich mehr erreicht, als die Grünen bei den letztlich gescheiterten Verhandlungen für ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis, sagte er der dpa.
Die AfD nannte die anvisierte Obergrenze von 220.000 Migranten pro Jahr eine „Farce“. Ohne eine Sicherung der Grenzen sei eine entsprechende Steuerung gar nicht möglich, erklärte die Chefin der Bundestagsfraktion, Alice Weidel. „Nach der unkontrollierten Massenmigration der vergangenen Jahre braucht unser Land eine konsequente Rückführungspolitik von Ausreisepflichtigen und eine effektive Grenzsicherung.“
Des Weiteren vereinbarten SPD und Union, den Teil der Migration, „den wir steuern können“, primär an den volkswirtschaftlichen Interessen Deutschlands zu orientieren. „Wir wollen ein modernes, in sich konsistentes Migrationsrecht schaffen.“ Als ersten Teil eines neuen Gesetzbuches werde die Fachkräfteeinwanderung geregelt.