Union will nächste Woche Koalitionsfrage entscheiden
Berlin (dpa) - Die Union will nächste Woche verbindlich darüber entscheiden, ob sie eine Koalition mit der SPD oder mit den Grünen anstrebt.
CSU-Chef Horst Seehofer bevorzugt bisher eine große Koalition und kündigte am Montag ein Gespräch unter sechs Augen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel für Freitag an. Einen Tag zuvor wollen CDU und CSU auch mit den Grünen die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition ausloten.
Das Dreiertreffen sei bereits beim ersten Sondierungsgespräch in großer Runde mit der SPD vereinbart worden, sagte Seehofer am Montag in München. CDU und SPD wollten es aber nicht bestätigen. Die Dreierrunde könnte das zweite Sondierungsgespräch am kommenden Montag mit insgesamt 21 Unterhändlern von Union und SPD vorbereiten.
„Es gibt keine Verabredung für ein solches Treffen am Freitag“, meinte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie wolle sich nicht an Spekulationen über Gespräche vor dem offiziellen zweiten Sondierungsgespräch am Montag beteiligen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, nach dem Gespräch am Donnerstag mit den Grünen werde sich zeigen, ob es - wie mit der SPD - auch mit dieser Partei eine zweite Sondierungsrunde gebe. „Wir nehmen dieses Gespräch in gleicher Weise ernst wie mit der SPD.“
Sowohl das Wahlprogramm der SPD als auch das der Grünen sei sehr weit von den Zielen der Union entfernt, so Gröhe. Bei den Grünen werde aber öffentlich selbstkritischer kommuniziert als bei der SPD. Gröhe betonte, es würden nur mit einer Partei Koalitionsverhandlungen geführt.
Die SPD will am 20. Oktober bei einem Parteikonvent über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden. Der Konvent mit rund 200 Delegierten werde auch zusammenkommen, falls CDU und CSU sich gegen Koalitionsverhandlungen mit der SPD entschieden, betonte Nahles. Über einen Koalitionsvertrag von Union und SPD sollen am Ende die rund 470 000 SPD-Mitglieder entscheiden.
Zu Äußerungen von SPD-Chef Gabriel, dass Steuererhöhungen kein Selbstzweck seien, sagte Nahles, die SPD habe bisher keine Positionen geräumt. Wenn die Union keine Steuererhöhungen wolle, müsse sie sagen, wie sie mehr Investitionen in Infrastruktur und Verbesserungen bei der Rente für Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, finanzieren wolle. „Es kann ja auch sein, dass Herr Schäuble eine Geheimschatulle hat“, sagte sie mit Blick auf den Finanzminister.
Die SPD hatte ihre auch im 100-Tage-Programm für den Fall eines Wahlsiegs verankerte Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent für Einkommen ab 100 000 Euro nicht nur mit höheren Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und Kommunen begründet. Sondern auch mit einem Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit im Land - zu lange habe es eine Umverteilung von unten nach oben gegeben, hieß es.
Wenn die SPD einen Koalitionsvertrag mit der Union unterzeichne, der keine stärkere Belastung für Millionäre, keinen Mindestlohn und keine Abschaffung des Betreuungsgeldes vorsehe, „dann betrügt sie ihre Wähler“, mahnte Linke-Chefin Katja Kipping. „Das wird eine Zerreißprobe für die SPD werden.“
Für Ärger sorgten in der SPD wiederholte Forderungen des Sprechers des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, die SPD müsse in einer großen Koalition das Finanzministerium bekommen. Es gehe jetzt um Inhalte, nicht um Posten, hieß es. „Johannes Kahrs spricht nicht für die SPD. Im Zweifel spricht er nur für sich selbst“, so Nahles.
Gröhe hält einen Kompromiss beim Thema Mindestlohn für möglich. Man sei sich einig, dass es einen gerechten Lohn für alle Arbeitnehmer geben müsse. Um dies durchzusetzen, würden die Parteien auch ein geeignetes Werkzeug finden, sagte Gröhe dem RBB-Inforadio.
Die Union setzt sich für regional und nach Branchen differenzierte Lohnuntergrenzen ein, auf die sich die Tarifparteien einigen sollen; die SPD dagegen will eine gesetzliche, flächendeckende Regelung. Gabriel hatte am Sonntagabend in der ARD gesagt, „dass ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn die SPD in keine Regierung eintreten kann“. Die SPD fordert einen Mindestlohn von 8,50 Euro.
Die Grünen sicherten der Union seriöse Sondierungsgespräche zu. „Wir nehmen's ernst“, sagte Parteichefin Claudia Roth nach einer Vorstandssitzung in Berlin. Zugleich widersprach sie Spekulationen, die personellen Wechsel bei den Grünen begünstigten Schwarz-Grün. Das eigene Wahlprogramm bleibe Grundlage der Sondierung mit der Union. Merkel müsse erklären, wie sie ihre Wahlversprechen finanzieren wolle.