Verteidigung will Freispruch für Demjanjuk
München (dpa) - Die Verteidigung des mutmaßlichen KZ-Wachmanns John Demjanjuk sieht zum Ende des fast eineinhalbjährigen Prozesses vor dem Münchner Landgericht keine Grundlage für einen Schuldspruch.
Schon in früheren Verfahren seien deutsche, israelische und polnische Ermittler zu dem Schluss gekommen, dass die Beweise gegen Demjanjuk wegen Verbrechen im NS-Vernichtungslager Sobibor nicht ausreichten, sagte Anwalt Ulrich Busch am Dienstag in seinem Plädoyer. Außerhalb des Prozesses stellte er am 88. Verhandlungstag bereits klar, dass es für ihn nur eine Forderung geben könne: „Freispruch für den Angeklagten, Haftentlassung und Haftentschädigung. Und wenn nicht, gibt es Revision.“
Die Staatsanwaltschaft ist hingegen überzeugt, dass der gebürtige Ukrainer von März bis September 1943 als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor an der Ermordung von mindestens 27 900 Juden beteiligt war. Sie verlangt sechs Jahre Haft wegen Beihilfe zum tausendfachen Mord. Da Sobibor ausschließlich zur Vernichtung von Juden existierte, habe sich jeder schuldig gemacht, der dort arbeitete. Demjanjuks Anwesenheit in dem Lager beweisen laut Anklage ein Dienstausweis, Verlegungslisten und eine Zeugenaussage.
Für den Schlussvortrag der Verteidigung sind bis zum Donnerstag zunächst drei Tage angesetzt. Nach Busch, der wahrscheinlich diese Zeit brauchen wird, will noch Anwalt Günther Maull plädieren.
Vielfach seien deutsche NS-Verbrecher und sogar Befehlshaber der ausländischen Wachmänner - der sogenannten Trawniki - unter Berufung auf Befehlsnotstand freigesprochen worden, sagte Busch in seinem Plädoyer. Selbst wenn Demjanjuk ein solcher Trawniki gewesen sei, wäre er „der kleinste Fisch der kleinen Fische“ gewesen.
Es gehe in dem Prozess gar nicht um Demjanjuk, sondern darum, nun fast 70 Jahre nach dem Holocaust auch die ausländischen Helfer an dem Massenmord zur Verantwortung zu ziehen, sagte Busch. „In Wirklichkeit steht das Kollektiv der Trawniki unter Anklage.“
Denn wenn der Holocaust ohne Hilfe der Hilfswilligen nicht möglich gewesen wäre, werde die Schuld Deutschlands geschmälert. „Deutschland spricht sich durch die Verurteilung des John Demjanjuk von der Alleinschuld am Holocaust frei“, sagte Busch, der in dem Verfahren immer wieder ungewöhnliche Argumentationen angeführt hatte.
Demjanjuk war in Israel in den 1980er Jahren in einem spektakulären Prozess als „Iwan der Schreckliche“ zum Tode verurteilt worden. Nach fünf Jahren in der Todeszelle wurde er aber freigesprochen.
Angehörige der Opfer und Überlebende des Holocaust, die als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen, hatten nachdrücklich eine Verurteilung Demjanjuks verlangt. Voraussichtlich zwischen dem 10. und 12. Mai will das Gericht ein Urteil sprechen.