Vier Mal so viele alleinreisende Flüchtlinge
Wiesbaden/Berlin (dpa) - Mehr alleinreisende junge Flüchtlinge als jemals zuvor sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Die Jugendämter nahmen rund 42 300 Kinder und Jugendliche in ihre Obhut, die ohne Eltern eingereist sind - fast vier Mal so viele wie 2014.
Dies berichtete das Statistische Bundesamt. Inzwischen geht der Zuzug aber zurück. „Bisher ist für 2016 ein Rückgang zu verzeichnen“, heißt es aus dem Bundesfamilienministerium. „Damit wird es uns noch besser gelingen, die geflüchteten Kinder und Jugendlichen gut zu versorgen und zu betreuen“, sagte Staatssekretär Ralf Kleindiek der Deutschen Presse-Agentur.
91 Prozent der alleinreisenden jungen Migranten waren 2015 männlich. Dagegen reisten nur etwa 3600 Mädchen unbegleitet ein. Bislang hätten erst 53 Prozent der 2015 eingereisten unbegleiteten Minderjährigen einen Asylantrag gestellt, berichten die Statistiker unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Insgesamt nahmen die Jugendämter 2015 gut 77 600 Kinder und Jugendliche in Obhut. In Summe waren das nur 62 Prozent mehr als im Vorjahr. Andere Gründe als eine unbegleitete Einreise sind zum Beispiel überforderte Eltern, Probleme bei Schule oder Ausbildung oder Drogensucht. Die Zahl dieser Fälle ging um drei Prozent zurück, wie das Amt berichtete.
Die Statistik wird seit 1995 geführt. Seither markiert das Jahr 2015 „den absoluten Höchststand“, wie Destatis-Mitarbeiterin Dorothee von Wahl sagte. Die Zeitreihe zeigt: Vor fünf Jahren lag die Zahl der Inobhutnahmen insgesamt niedriger als aktuell die Zahl der Flüchtlingsfälle. Von den 36 300 Fällen des Jahres 2010 waren nur 2800 unbegleitet eingereiste Jugendliche.
Aus Sicht der Statistikbehörde deckt sich die Zahl der Einreisen unbegleiteter Jugendlicher mit der Zahl der Inobhutnahmen. Der „Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ hingegen glaubt, dass die Zahlen in Wahrheit niedriger sind. Viele seien mehrfach registriert worden.
Die hohe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die 2015 ohne Eltern in Deutschland ankamen, habe „einige Kommunen vor kaum mehr zu bewältigende Herausforderungen gestellt“, sagte ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums der dpa. Dank einer Gesetzesänderung können sie nun bundesweit weiterverteilt werden. Die Länder hätten seither „in einem enormen Tempo zahlreiche neue Plätze geschaffen“.