Von der Leyens Truppenbesuch im Einsatzgebiet Deutschland

Berlin (dpa) - Normalerweise muss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tausende Kilometer zurücklegen, um Soldaten im Einsatz zu besuchen. Heute ging es deutlich schneller. Neun Kilometer oder 20 Autominuten liegt die Julius-Leber-Kaserne vom Verteidigungsministerium entfernt.

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Hier ist das Kommando Territoriale Aufgaben stationiert, das für das derzeit wohl komplizierteste Einsatzgebiet der Bundeswehr zuständig ist: Deutschland.

„Operationszentrale“ steht an dem unscheinbaren Gebäude, von dem aus alle Einsätze der Bundeswehr gesteuert werden. In einem Zimmer, nicht größer als ein Klassenraum, sitzen sechs Soldaten vor jeweils zwei bis drei Bildschirmen. An der Wand hängen Deutschlandkarten mit Standorten des Flüchtlings-Bundesamts und ein Einsatzplan für Registrierungsstellen. Auf zwei Fernsehern laufen die einschlägigen Nachrichtenkanäle.

Die Soldaten koordinieren die Flüchtlingshilfe, den größten Inlandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Er dauert schon über ein Jahr und hat die Bundeswehr mehr als 2,2 Millionen Arbeitsstunden gekostet. In Spitzenzeiten waren 9000 Soldaten gleichzeitig im Einsatz - so viele wie in keinem Auslandseinsatz der vergangenen 20 Jahre.

Es ist ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren, über den sich niemand aufgeregt hat, den alle gut finden. So war es auch bei der Hochwasserkatastrophe vor drei Jahren, als tausende Soldaten Sandsäcke schleppten.

Für Aufregung sorgt eine andere Art von Inlands-Einsätzen, die es bisher noch nicht gegeben hat: Die Unterstützung der Polizei bei großen Terroranschlägen. In der Julius-Leber-Kaserne spricht man nicht gerne offen darüber. Das Thema ist den Soldaten zu politisch. „Wir diskutieren das Thema schlicht und ergreifend nicht“, sagt ein leitender Offizier.

Von der Leyen geht dagegen offensiv mit dem Thema um. Nach dem Amoklauf von München ließ sie 100 Feldjäger und Sanitäter in Bereitschaft versetzen, weil die Polizei zunächst von einer „akuten Terrorlage“ ausging. Sie berief sich dabei auf einen Beschluss der Bundesregierung, der nur wenige Tage vorher fiel.

Im neuen Weißbuch zur Sicherheitspolitik wurde die Verfassung so interpretiert, dass Bundeswehreinsätze auch bei Terroranschlägen möglich sind. Dass von der Leyen gleich so forsch mit diesem Beschluss umging, missfällt nun dem Koalitionspartner SPD. „Das ist der durchschaubare Versuch, sich innenpolitisch zu profilieren“, wirft SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der CDU-Verteidigungsministerin vor.

Von der Leyen ficht das nicht an. „Wenn es eintreten sollte, dann müssen wir gut vorbereitet sein“, sagt sie bei ihrem Besuch der Julius-Leber-Kaserne. „Deshalb ist es jetzt auch für uns wichtig, dass wir solche Szenarien üben.“

Ende August will von der Leyen sich mit Innenministern von Bund und Ländern zusammensetzen, um über die Details einer solchen Übung zu sprechen. Sie soll noch in diesem Herbst stattfinden.

Dass die Bundeswehr den Terrorfall übt, ist übrigens auch nichts Neues. Seit 2004 finden etwa alle zwei Jahre große Katstrophenschutzübungen von Polizei, Technischem Hilfswerk, Rettungsdiensten, Feuerwehr und eben auch der Bundeswehr mit jeweils unterschiedlichen Szenarien statt. 2005 und 2010 war das Szenario der „Lükex“ genannten Übungen: Terror.

Bei der Übung vor sechs Jahren ging es um eine Anschlagsserie in mehreren Bundesländern, bei der auch „schmutzige Bomben“ zum Einsatz kommen, die mit nuklearen und chemischen Stoffen versetzt sind. Die Bundeswehr wurde fünf Mal angefordert, half bei der Rettung von Verletzten und setzte Transporthubschrauber ein, um ABC-Masken und Sanitätsmaterial auszuliefern.

Für die jetzt geplanten Übungen haben sich bereits das Saarland, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg als Ausrichter beworben. Der politische Streit wird so schnell nicht beendet werden. In der Bevölkerung gibt es dagegen bereits eine klare Haltung zu dem Thema: In einer YouGov-Umfrage sprachen sich Ende vergangenen Jahres 87 Prozent der Deutschen dafür aus, der Bundeswehr bei einem Terroranschlag begrenzte Aufgaben wie den Schutz von Gebäuden zu übertragen.