Abgas-Affäre VW-Skandal: Remmel fordert das Recht auf Musterklagen
NRW-Verbraucherminister wirft der Bundesregierung vor, keine Konsequenzen aus der Abgas-Affäre zu ziehen.
Düsseldorf. NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) hält die Einführung von Musterklagen für dringend notwendig. „Es kann den einzelnen Verbrauchern nicht zugemutet werden, allein gegen Großkonzerne wie etwa VW durch alle Instanzen seine Ansprüche geltend zu machen“, sagte der Minister auf Anfrage unserer Zeitung. Es müsse etwa für Verbraucherverbände das Recht geben, im Wege von Musterverfahren die Ansprüche vieler Kunden durchzusetzen.
Remmel wirft der Bundesregierung vor, bis heute keine Konsequenzen aus der Abgas-Affäre gezogen zu haben. „Es gibt ein Schweigekartell von Bundesregierung und Autoindustrie“, so der Minister. Es sei seit Jahren bekannt, dass die Abgaswerte bei realen Prüfbedingungen meilenweit von denen entfernt sind, die die Hersteller in künstlicher Umgebung errechnen. Die Umweltbehörden dürften zwar jeden Laubbläser überprüfen, die Autoindustrie sei von den Kontrollen aber ausgenommen.
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, hält eine Änderung der Rechtslage ebenfalls für überfällig. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Verbraucher massenhaft Schäden aufgrund eines Gesetzesverstoßes erleiden, aber ihre Rechte individuell gerichtlich durchfechten müssen“, so Müller. „Der VW-Skandal zeigt, dass die Musterfeststellungsklage dringend benötigt wird.“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte vor einem Jahr nach Bekanntwerden des VW-Skandals die Einführung einer Musterklage zugesagt. „Es kann nicht sein, dass VW den betroffenen Kunden in den USA, wo Sammelklagen möglich sind, Schadenersatz zahlt, die Kunden in Deutschland dagegen leer ausgehen“, so Maas damals. Diese Ungleichbehandlung könne er nicht akzeptieren.
Bis heute hat Maas jedoch keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Ein Sprecher des Ministers teilte am Montag mit, dass ein Entwurf zu Musterfeststellungsklagen noch in diesem Jahr in die Ressortabstimmung gehen werde. Offen ist, ob es noch vor der Wahl im nächsten Jahr zu einer Rechtsänderung kommt und ob die Betroffenen davon profitieren würden.
Wer ein Fahrzeug mit Betrugssoftware hat, darf auch in Deutschland trotzdem auf Entschädigung hoffen. Es gibt Anwälte, die übers Internet Schadenersatzansprüche von VW-Kunden einsammeln und gegen VW geltend machen. Größter Anbieter ist die Financialright GmbH aus Hamburg. Auf der Seite my-right.de können sich Betroffene registrieren. My-right.de funktioniert im Prinzip wie eine Verbraucherinkassofirma, an die Kunden ihre Ansprüche auf Schadenersatz abtreten.
Die Firma strebt einen Vergleich mit VW an oder zieht, wenn nötig, vor Gericht. Im Erfolgsfall kassiert das Unternehmen 35 Prozent der gezahlten Schadenersatzsumme als Provision. Anwalts- oder Prozesskosten fallen nicht an. Eine „deutlich fünfstellige Zahl“ von Betroffenen ist schon dabei. Stiftung Warentest hält das Angebot für seriös. My-right.de schätzt, dass VW im Schnitt 1500 Euro Schadenersatz pro Auto zahlen wird.