Kipping: Souverän geht anders Wagenknecht weist Linke-Chefs in die Schranken
Potsdam (dpa) - Nach der offiziellen Beilegung des Machtkampfs bei der Linken hat Fraktionschefin Sahra Wagenknecht die Parteivorsitzenden in die Schranken gewiesen.
„Eigentlich hat niemand den Job, die Linke dadurch zu diskreditieren, dass weiter solche Grabenkämpfe stattfinden“, sagte Wagenknecht nach einer Fraktionsklausur mit vielen heftigen Debatten in Potsdam. „Und das sollte auch jeder begreifen.“
Zwar nannte Wagenknecht die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger nicht beim Namen, machte aber deutlich, wen sie meinte. „Ich finde jeder, der eine bestimmte Funktion hat, hat eine verdammte Verantwortung, jetzt zu dem zurückzukehren, was sein Job ist.“ So müssten sich die Parteichefs etwa um neue Mitglieder kümmern. Der Job der Fraktion sei es, angesichts einer Jamaika-Koalition gute Oppositionsarbeit zu leisten.
Vor der Klausur hatte es eine Schlammschlacht gegeben. Riexinger bestritt kolportierte Äußerungen, nach denen er Wagenknecht wegmobben wolle. Wagenknecht beschrieb in einem vierseitigen Brief an die Abgeordneten, wie sie sich über lange Zeit als Zielscheibe von Intrigen der Parteichefs aus dem Hinterhalt gesehen hatte. Sie drohte mit Rückzug, falls Anträge durchkommen sollten, die aus ihrer Sicht auf eine Entmachtung von ihr und Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch hinausgelaufen wären.
Der Antrag, den Parteichefs ein Stimmrecht im Fraktionsvorstand zu geben, wurde zurückgezogen. Sie haben aber erweitertes Rederecht im Bundestag bekommen. Wagenknecht wurde dann mit 75,4 Prozent, Bartsch mit 80 Prozent wiedergewählt. Bartsch wertete das Ergebnis als Stärkung. „Ich freue mich sehr, dass die Klausur so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist“, sagte Wagenknecht.
Grabenkämpfe trügen nicht zu Begeisterung für die Politik bei den Menschen bei, mahnte die Frau von Oskar Lafontaine. „Wir müssen das dringend beenden, das darf man so eben auch nicht weitermachen.“
Bartsch schloss nicht aus, dass die innerparteilichen Konflikte weitergehen: „Nach dem Gewitter wissen Sie ja auch nicht, ob es das reinigende war oder ob noch was kommt, Donner und Gewitter.“ Die erneut als Bundestagsvizepräsidentin nominierte Petra Pau forderte im MDR: „Schluss mit Kindergarten“.
Anhaltende Animositäten zeigten sich schon am Morgen. Kipping warf Wagenknecht mangelnde Souveränität vor. „Ich hab gedacht: Ok, souverän geht anders“, sagte Kipping in der ARD. Kipping meinte damit die Zurechtweisung von Riexinger durch Wagenknecht. Riexinger hatte nach der Wiederwahl von Wagenknecht und Bartsch am Abend mit einem Statement vor den Medien begonnen. Daraufhin schnitt Wagenknecht ihm das Wort ab: „Bernd, das ist die Pressekonferenz der Fraktion.“ Die frisch als Vizefraktionschefin gewählte Sevim Dağdelen sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Sahra Wagenknecht hat mehr als deutlich gemacht, was souverän ist.“
Bartsch forderte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nachdrücklich ein, in den Jamaika-Sondierungen schnell zu Inhalten zu kommen. Er musste aber zugleich das weitgehende Ausbleiben inhaltlicher Positionierungen bei der Linken-Klausur einräumen. So habe die Zeit gefehlt, eine gemeinsame Linie für den Umgang mit der AfD zu debattieren. Den AfD-Kandidaten als Bundestagsvizepräsident werde die Linke aus inhaltlichen Gründen aber nicht wählen.
Nicht ausgetragen ist etwa der Streit um Flüchtlingspolitik. „Die Forderung „offene Grenzen für alle Menschen“ ist eine schöne Forderung für eine andere Welt“, sagte Wagenknecht. Es brauche eine Debatte über eine sinnvolle linke Position zur Flüchtlingsfrage. Lafontaine hatte der Linken eine verfehlte Flüchtlingspolitik vorgeworfen, Kipping daraufhin vor einem Rechtskurs gewarnt.
In Potsdam wählte die Linke auch den Fraktionsvorstand fast komplett neu. Zu Leitern politischer Arbeitskreise und zugleich Vize-Chefs der Fraktion wurden Klaus Ernst, André Hahn, Gesine Lötzsch, Petra Sitte und Sabine Zimmermann bestimmt. Dağdelen und Caren Lay wurden ebenfalls zu Fraktionsvizechefs gewählt, neuer Parlamentarischer Geschäftsführer ist Jan Korte.