Wann Fracking erlaubt sein soll
SPD-Ministerin Hendricks verkauft ihr umstrittenes Gesetz als Erfolg. Doch Gegner werfen ihr vor, eingeknickt zu sein.
Berlin. Kurzfristig hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwochnachmittag ein gutes Dutzend Journalisten ins Ministerium eingeladen, um ihnen das neue Fracking-Gesetz zu erklären. Es galt auch, eine Aussage zu korrigieren, die, wie es hieß, ein Missverständnis gewesen sei. Das ist eine sehr beschönigende Umschreibung. Beim Gesetz zur umstrittenen Schiefergasförderung in Deutschland ist Hendricks die Kommunikation gehörig schiefgelaufen. Und nicht nur da.
Als am Montag Medienberichte über den geheimen Entwurf erschienen, in denen es hieß, Fracking werde mindestens zu Probezwecken auch oberhalb von 3000 Metern erlaubt, dementierte die Ministerin. „Fracking darf nur zu wissenschaftlichen Zwecken tiefer als 3000 Meter unter der Erde eingesetzt werden“, sagte sie im Deutschlandfunk, nachdem sie alle anderen Einschränkungen — Verbot in sensiblen Wasserschutzgebieten, Verbot jeglichen Einsatzes wassergefährdender Stoffe — aufgelistet hatte.
Das war glasklar, doch sind die Fakten anders. Begleitet von zwei Fachbeamten, die sie zu Rate zog, erläuterte die Ministerin, was tatsächlich in dem Gesetzentwurf steht: Unterhalb von 3000 Metern darf weiter gefrackt werden. Es ändert sich wenig, allerdings werden die Bedingungen auch für das sogenannte konventionelle Fracking aus bestehenden Bohrlöchern schärfer. Ein umweltpolitischer Erfolg. Gleichzeitig ermöglicht das Gesetz auch Wege für Fracking in oberen Schichten. Ein Totalverbot gibt es hier nur in Wasserschutz- und Trinkwassereinzugsgebieten. Außerhalb solcher Regionen können Unternehmen Probebohrungen beantragen, wenn sie dabei strenge Umweltkriterien einhalten. Mehr noch: Wenn die Bohrungen erfolgreich sind, können die Firmen die reguläre Förderung anstreben. Und das werden sie tun, denn sie betreiben mit Fracking so wenig Wissenschaft wie Japan mit dem Walfang. Eine sechsköpfige Expertenkommission muss allerdings die Unbedenklichkeit bescheinigen, dann braucht das Unternehmen noch eine Genehmigung von Bergbau- und Wasserbehörde.
Die Ministerin betont zwar stets, dass die Genehmigung erteilt werden kann, aber nicht muss. Warum sie jedoch versagt werden sollte und ob das vor Gerichten Bestand hat, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, erfährt man nicht. Dass sie mit dem Gesetz vor der Energielobby, dem CDU-Wirtschaftsflügel oder Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingeknickt sei, bestreitet sie. Angesichts ihrer forschen Ankündigungen, sie werde Fracking verbieten, wirkt der Gesetzentwurf genau so. Die Grünen kritisieren ihn schon als „Fracking-Ermöglichungsgesetz“.
Es ist nicht das erste Mal, dass die 62-jährige Ex-Finanzstaatssekretärin im neuen Amt eine schlechte Figur macht. Erst vor wenigen Tagen ließ Vizekanzler Gabriel sie mit ihrer Forderung auflaufen, einige Kohlekraftwerke stillzulegen.
Hendricks versucht es mit einer speziellen Art der positiven Interpretation: „Ich habe mich damit durchgesetzt, dass das Fracking verboten ist, unbefristet verboten ist, und dass es nur in ganz seltenen Ausnahmefällen erlaubt werden kann“. So kann man es auch sehen.