Warum die Deutschen so wenig Kinder haben
Geld und Kita-Plätze sind nicht alles: Das Klima in der Gesellschaft muss stimmen.
Berlin. Die Zahl ist ernüchternd: 1,36 Kinder bekommt die deutsche Frau im Schnitt. Das Klischee von der Akademikerin ohne eigene Familie stimmt noch immer. „Warum so wenig Kinder?“, fragt sich das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in einer Studie. Das Institut nimmt die Gefühlslage der Deutschen ebenso unter die Lupe wie die Daten aus der Familienforschung.
Deutlich wird: Kinder zu bekommen ist nicht nur eine Frage des Geldes und von Kita-Plätzen, sondern auch eine des gesellschaftlichen Klimas. Das Leitbild von der „guten Mutter“, die immer für ihren Nachwuchs da sein muss, hemmt. Und anders als das „Fräulein“ ist das Wort „Rabenmutter“ im Deutschen noch immer präsent.
Frappierend ist der Unterschied zwischen Ost und West, was berufstätige Mütter angeht: Im Westen glauben 63 Prozent, dass ein kleines Kind wahrscheinlich darunter leidet, wenn die Mutter arbeitet — im Osten sind es 36 Prozent. Das hat auch historische Gründe: In der DDR gehörten berufstätige Mütter und Krippen mehr zum Alltag als in Westdeutschland.
Die Angst vor Überforderung spiele eine Rolle, sagt der Direktor des Instituts, Jürgen Dorbritz. „Man wird mit Ratgebern überhäuft, und die Leute versuchen, es perfekt zu machen.“ In Sachen Familie müsse sich das Bewusstsein grundlegend wandeln.
Lernen könnte die deutsche Familienpolitik beim Blick ins europäische Ausland: In Frankreich sei das Steuerrecht freundlicher zu Familien, erklärt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Dort gebe es nicht das Ehegattensplitting, sondern ein Familiensplitting.
Das dritte Kind, also die große Familie, wird in Frankreich bei der Steuer gezielt gefördert. Und mit Blick Richtung Skandinavien fordert Klingholz: „Das Elterngeld sollte nur gewährt werden, wenn auch die Väter es länger als zwei Monate in Anspruch nehmen.“
Etwas Bewegung gebe es aber hierzulande doch. Was Geburten in den Städten angeht, hat Deutschland laut Klingholz aufgeholt. Der Wissenschaftler Dorbritz sieht die Familienpolitik, die viele Jahre die Hausfrauen-Ehe gefördert habe, mit dem Elterngeld und dem Ausbau der Kinderbetreuung auf dem richtigen Weg. „So etwas braucht Zeit.“