Bonner Bombe: Bahn und Polizei streiten über fehlende Videobilder
Köln/Berlin (dpa) - Nach dem gescheiterten Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof ist eine Debatte über mehr Videoüberwachung in Deutschland entbrannt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und andere Unionspolitiker sind dafür, SPD, Grüne und FDP dagegen.
„Wir brauchen eine effiziente Videobeobachtung und Videoaufzeichnung auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen“, sagte Friedrich dem „Spiegel“. Vom Bahnsteig in Bonn existieren keine Aufzeichnungen zur Zeit des Anschlagversuchs - Bundespolizei und Bahn streiten darüber, wer das zu verantworten hat.
Die Bahn hatte das Areal, an dem ein Unbekannter die in einer Tasche versteckte Bombe abstellte, zwar teilweise per Video beobachtet - die Bilder aber nicht aufgezeichnet. „Die Bundespolizei entscheidet, welche Kamerabilder gespeichert werden“, sagte ein Bahnsprecher dazu. Für Bonn habe es keinen solchen Auftrag gegeben. Die Bundespolizei wies den Vorwurf zurück. Ein Sprecher kritisierte in der „Bild am Sonntag“, die Bahn sei nicht bereit, zusätzliche Aufzeichnungskapazitäten zu bezahlen.
Unterdessen haben die Ermittler Medienberichten zufolge mindestens einen weiteren Tatverdächtigen identifiziert. Er soll Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Kaida haben. Insgesamt geht die Bundesanwaltschaft von mindestens drei Verdächtigen aus.
Der WDR meldete am Samstag, neu als Tatverdächtiger identifiziert sei ein Al-Kaida-Verbindungsmann aus dem rheinischen Langenfeld. Allerdings sei unklar, ob er zur Tatzeit am Bonner Hauptbahnhof gewesen sei. Er wäre ein dritter Verdächtiger neben den bereits bekannten Männern - einem dunkel- und einem hellhäutigen -, die zur Tatzeit im Bahnhof gesehen beziehungsweise in einer nahen McDonald's-Filiale gefilmt wurden.
Mit einer besseren Technik ließen sich „Gewalttäter abschrecken und geplante Anschläge aufklären“, sagte Friedrich dem „Spiegel“. Er verlangte, „die erforderliche Modernisierung der Videotechnik schnell voranzutreiben“. Sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) sieht das ähnlich. „Auf Bahnhöfen ist dies flächendeckend erforderlich“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) nannte die Videoüberwachung im „Tagesspiegel“ (Montag) ein wichtiges Instrument für die Aufklärung von Straftaten.
SPD und Grüne wiesen die Forderungen zurück. Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, erklärte am Sonntag: „Ich bin gegen die Totalüberwachung des öffentlichen Raums auf allen Plätzen. Dadurch wird nirgendwo mehr Sicherheit gewonnen.“ Ähnlich sah das der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck. „Außer mehr Videoüberwachung fällt den Innenministern der Union offensichtlich nichts ein“, sagte er „Spiegel Online“. „Der Terrorgefahr muss jedoch durch eine bessere Kooperation der verschiedenen Sicherheitsbehörden und mehr Prävention begegnet werden.“ Es komme darauf an, Anschläge im Vorfeld zu verhindern.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Montag): „Wir brauchen jetzt keine neue Debatte über Strafverschärfungen oder mehr Videoüberwachung.“ Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte vor einer Debatte über schärfere Gesetze.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte einheitliche Standards für die Videoüberwachung auf Bahnhöfen. Der Fall Bonn habe deutlich gemacht, „dass die bisherige Einigung zwischen Bundespolizei und Bahn, nur an zentralen Bahnhöfen Aufzeichnungsgeräte mitlaufen zu lassen, nicht ausreicht“, sagte er der „Welt“ (Montag).
Die Bundesanwaltschaft hatte am Freitag die Ermittlungen übernommen. Sie sprach von einem Anfangsverdacht gegen jenen Mann, der die Tasche am Bahnsteig abgestellt hatte. Dieser habe „Verbindungen in radikal-islamistische Kreise“. Nach Zeugenaussagen war die Tasche von dem Dunkelhäutigen abgestellt worden. Laut „Spiegel“ ist wohl auch der hellhäutige Zweite, der in einer McDonald's-Filiale gefilmt wurde, den Ermittlern namentlich bekannt.
Der Sprengsatz wurde wahrscheinlich ausgelöst, soll aber wegen einer Fehlkonstruktion nicht explodiert sein. Dem „Spiegel“ zufolge wäre er bei erfolgreicher Zündung nicht detoniert, sondern hätte eine Stichflamme verursacht.