Was auf den künftigen Gesundheitsminister Jens Spahn alles zukommen würde

Berlin. Ärztefunktionäre, Pharmabranche, Kassenvertreter, Pflegeverbände - als Bundesgesundheitsminister ist man mit mächtigen Lobby-Interessen konfrontiert. Jens Spahn (CDU), der vorbehaltlich eines positiven SPD-Mitgliedervotums zur GroKo neue Mann im Amt, kennt sich damit immerhin schon etwas aus.

Jens Spahn im November in Berlin.

Foto: Michael Kappeler

Bis 2015 war der Münsterländer gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Trotzdem ist der Posten dazu angetan, „immer Torte im Gesicht“ zu haben, wie es die frühere Ressortchefin Ulla Schmidt (SPD) einst formulierte.

Spahn ist also gewarnt. Zwar enthält der neue Koalitionsvertrag zahlreiche detaillierte Festlegungen, die eher ein ruhiges Ministerleben versprechen. So lässt zum Beispiel die geplante Rückkehr zur jeweils hälftigen Beitragszahlung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern keinerlei Interpretationsspielraum zu. Trotzdem bleibt noch genügend Zündstoff, der sich hinter harmlos klingenden Allgemeinplätzen verbirgt. Besonders im Pflegebereich. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, wollen Union und SPD „die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken“. Dazu sollen „Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen“. Nur, wie kann das gehen?

Zwar können Tarifverträge nach geltendem Recht vom Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt werden. Daran müssten sich dann alle Betriebe einer Branche halten. Das funktioniert aber nur unter bestimmten Bedingungen. Und die sind laut Arbeitsressort im Pflegebereich nicht gegeben. Denn die Tariflandschaft gleicht dort einem Flickenteppich. Die öffentlichen Arbeitgeber vergüten anders als AWO, DRK oder die Kirchen. Häufig gibt es aber auch gar keine Tarifverträge. Und schon gar nicht einen gewissermaßen repräsentativen Tarifvertrag, den man auf die gesamte Branche erstrecken könnte, heißt es im Arbeitsministerium. Hier wird Spahn noch dicke Bretter bohren müssen.

Das gilt auch für das Vorhaben, die „Zwei-Klassen- Medizin“ einzudämmen. Stein des Anstoßes sind vor allem die kürzeren Wartezeiten auf einen Arzttermin von Privatversicherten gegenüber Kassenpatienten. Spahn versprach am Dienstag, für eine Angleichung zu sorgen und dabei auch „über die Vergütung der Ärzte für Kassenpatienten“ zu sprechen. Hintergrund ist, dass die Behandlung von Privatpatienten besser bezahlt wird. Würde dieses Niveau zum Maßstab auch bei gesetzlich Versicherten, dürfte der Aufschrei von AOK, Barmer & Co allerdings nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich müssten sie die Zeche bezahlen — oder die Beiträge erhöhen.

Und Spahn hat noch eine weitere Frontlinie eröffnet: Er sieht „massiven Reformbedarf“ bei der privaten Krankenversicherung (PKV), weil die Beiträge dort besonders für Ältere massiv steigen. Die SPD hat jedoch keinerlei Interesse an einer Stärkung der PKV. Dergleichen ist im Koalitionsvertrag auch nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil. Die darin fixierte Zugangserleichterung für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung mittels einer Halbierung ihres Mindestbeitrags dürfte dazu führen, dass der PKV noch mehr potenzielle Kunden verloren gehen.

Bleibt noch ein grundlegendes Problem. Die geplanten Verbesserungen bei Gesundheit und Pflege werden Milliarden kosten. Allein die Absenkung des Mindestbeitrags für Selbstständige schlägt pro Jahr mit rund 750 Millionen Euro zu Buche. Hinzu kommen Mehraufwendungen für die 8000 zusätzlich geplanten Pflegekräfte, eine bessere Honorierung der ambulanten Pflege oder die Erhöhung der Festzuschüsse für Zahnersatz. Trotz solider Rücklagen ist daher eine Anhebung des Krankenkassen- und Pflegebeitrags bis zum Ende der Wahlperiode wohl unausweichlich. Zumal dann auch die kostenträchtigen Reformen der vergangenen vier Jahre voll durchschlagen. Aus Sicht der Wirtschaft verteuern sich die Lohnnebenkosten damit noch mehr. Und die kann bekanntlich auch gut mit Torten werfen…