Was sich 2015 ändert: Mindestlohn, Nummernschilder, Biomüll
Berlin (dpa) - Neues Jahr, neue Regeln: Auf die Bundesbürger kommen 2015 einige Umstellungen zu - nicht nur bei Steuern, Krankenkassen und Autos.
Zum Jahreswechsel sind mehrere Gesetzesänderungen in Kraft getreten - etwa für Arbeitnehmer und Patienten:
MINDESTLOHN: Der allgemeine, flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde greift. Bei einer 40-Stunden-Woche entspricht das 1473 Euro brutto im Monat. Profitieren sollen rund 3,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Um Langzeitarbeitslosen den Job-Einstieg zu erleichtern, kann bei ihnen in den ersten sechs Monaten vom Mindestlohn abgewichen werden. Für Unter-18-Jährige ohne Berufsabschluss, Auszubildende und Menschen mit Pflichtpraktika oder Praktika unter drei Monaten gilt der Mindestlohn nicht. Bisher gelten für rund 4 Millionen Beschäftigte in 13 Branchen Mindestlöhne.
RENTE: Der Rentenbeitragssatz sinkt von aktuell 18,9 Prozent auf 18,7 Prozent. Bis 2018 soll er unverändert bleiben.
KRANKENKASSEN: Die gesetzlichen Krankenkassen können wieder über einen Teil der Beiträge selbst bestimmen. Dazu wird der bisherige Beitrag um 0,9 Punkte auf 14,6 Prozent gesenkt. Auf diesem Niveau ist es den Kassen möglich, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Der dürfte im ersten Jahr bei fast allen Kassen um die 0,9 Prozentpunkte betragen. Erwartet wird, dass er dann deutlich steigt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verspricht sich mehr Wettbewerb unter den Kassen.
GESUNDHEITSKARTE: Die neue elektronische Gesundheitskarte (eGK) löst zum Jahresanfang endgültig die alte Krankenversicherungskarte ab. Unabhängig vom aufgedruckten Datum verliert diese ihre Gültigkeit. Die neue Karte soll mittelfristig den Austausch von Patientendaten zwischen Ärzten, Kliniken und Apotheken verbessern. Die Anwendungen werden schrittweise eingeführt. Die Karte ist aus Datenschutzgründen umstritten. Kritiker befürchten, dass sensible Gesundheitsdaten ausspioniert werden könnten.
PFLEGEVERSICHERUNG: Die Leistungsbeträge steigen um vier Prozent. Das bringt etwa in vollstationärer Pflege bei Stufe eins 1064 Euro - 41 Euro mehr. Die Kurzzeit- und Verhinderungspflege kann besser miteinander kombiniert werden. Zuhause Gepflegte sollen leichter vorübergehend in einem Heim oder von ambulanten Diensten betreut werden können. Tages- und Nachtpflege kann ungekürzt neben Geld- und Sachleistungen beansprucht werden. Der Anspruch auf Betreuung durch Helfer in der ambulanten Pflege wird ausgeweitet - auch mit Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter. Die Zahl zusätzlicher Betreuungskräfte in Heimen kann von 25 000 auf bis zu 45 000 steigen. Der Zuschuss zu behindertengerechten Umbauten steigt. Ein Vorsorgefonds - rund 1,2 Milliarden Euro jährlich fließen hinein. Der Beitragssatz steigt Anfang 2015 von derzeit 2,05 Prozent (Kinderlose: 2,3) um 0,3 Punkte und 2017 um weitere 0,2 Punkte.
FAMILIENPFLEGEZEIT: Eine zweijährige Familienpflegezeit sowie eine bezahlte Auszeit von zehn Tagen sollen Arbeitnehmern die Pflege eines schwer kranken Angehörigen erleichtern. Während der Familienpflegezeit kann ein Beschäftigter seine Wochenarbeitszeit auf bis zu 15 Stunden reduzieren. Neu ist auch der Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das während der monatelangen Pflegezeiten das fehlende Einkommen ausgleichen soll. Auf sechs Monate Pflegezeit ohne Darlehen haben die Arbeitgeber schon heute Anspruch.
HARTZ IV: Die Regelsätze für Empfänger von Hartz-IV-Leistungen steigen um gut zwei Prozent. Alleinstehende erhalten somit nun einen Betrag von 399 Euro und damit 8 Euro mehr als bisher.
ASYL: Die Rechtsstellung von Asylbewerbern wird weiter verbessert. So entfällt künftig die sogenannte Residenzpflicht für asylsuchende oder geduldete Ausländer, sobald sich diese drei Monate lang in Deutschland aufhalten. Sie können sich damit freier im Bundesgebiet bewegen. Zudem erhalten Leistungsberechtigte vorrangig Geld statt Sachleistungen.
BERUFSKRANKHEITEN: Als solche werden nun auch Formen des „weißen Hautkrebses“ und andere Krankheiten anerkannt - Betroffene haben Anspruch auf Behandlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. PFLEGEMINDESTLOHN: Er steigt auf 9,40 Euro pro Stunde im Westen und 8,65 Euro im Osten. Bis 2017 soll er weiter wachsen.
ELTERNGELD PLUS: Zum 1. Juli 2015 kommt diese neue Form der einkommensabhängigen staatlichen Unterstützung für Eltern. Sie bietet Müttern und Vätern die Möglichkeit, nach der Geburt eines Kindes in Teilzeit zu arbeiten und trotzdem Elterngeld zu erhalten. Das Elterngeld Plus ist nur halb so hoch wie das reguläre Elterngeld, wird dafür aber mit 24 Monaten doppelt so lange gezahlt wie bisher. Das „alte Elterngeld“ wird nicht abgeschafft, sondern soll neben dieser neuen Variante weiter existieren.
HOLZÖFEN: Weil alte Holzöfen und Holzheizkessel viel Feinstaub und andere gesundheitsgefährdende Schadstoffe ausstoßen, gelten ab Januar neue Grenzwerte für die Staub- und Kohlenmonoxidemissionen. Bürger können nach Angaben des Umweltbundesamtes mit Filtern nachrüsten, das sei aber mit über 1000 Euro oft teurer als der Kauf eines neuen Ofen. Für mit Holz betriebene Heizkessel, die vor 1995 errichtet wurden, müssen die Grenzwerte der Stufe 1 der Immissionsschutz-Verordnung eingehalten werden. Außerdem müssen Öfen und Kamine, die vor dem 1. Januar 1975 errichtet worden sind, strengere Grenzwerte erfüllen. Daneben gibt es weitere Abstufungen - nur nach dem 22. März 2010 eingebaute Öfen und Kessel sind komplett ausgenommen.
NUMMERNSCHILDER: Autobesitzer dürfen ihr Kennzeichen bei Umzügen in ganz Deutschland mitnehmen. Die Pflicht zur „Umkennzeichnung“ für den neuen Zulassungsbezirk entfällt. Innerhalb einiger Länder galt dies schon. Der Tarif der Kfz-Versicherung richtet sich nach dem Wohnort.
AUTO-ABMELDUNG: Ab dem 1. Januar zugelassene Fahrzeuge können später beim Kraftfahrt-Bundesamt online abgemeldet werden. Ermöglicht werden soll dies über neue Sicherheitscodes auf den Prüfplaketten des Nummernschilds und im Fahrzeugschein sowie den neuen Personalausweis.
BIOMÜLL: Biomüll muss nun bundesweit getrennt gesammelt werden. Laut Bundesumweltministerium haben bereits rund 340 der etwa 400 Stadt- und Landkreise eine Biotonne eingeführt, jetzt müssen die restlichen nachziehen. Das soll dazu beigetragen, dass die Stoffe verstärkt für Biogasanlagen oder etwa als Düngemittel genutzt werden können.
VERSICHERUNGEN: Steuervorteile bei verkauften Lebensversicherungen fallen weg. Risikoleistungen aus nach 2005 abgeschlossenen Versicherungen, die zuvor von Investoren auf einem Zweitmarkt aufgekauft wurden, werden besteuert. Hintergrund ist, dass Fonds in „gebrauchte“ Lebensversicherungen investieren. Sie steigen vor allem in Risiko-Lebensversicherungen ein, indem sie Policen stornowilliger Versicherungsnehmer erwerben und später Leistungen der Versicherung an die Anleger als Erträge ausschütten. Bisher war die Leistung im Todesfall nicht steuerpflichtig. Mit dem Tod der versicherten Person erzielt der Erwerber einen Gewinn. Dieser wird künftig besteuert.
MELDERECHT: Ab dem 1. November gelten strengere Regeln bei Auskünften aus dem Melderegister: Demnach dürfen Meldeämter Namen und Adressen von Bürgern nur noch dann zu Werbezwecken an Firmen weitergeben, wenn die Betroffenen ausdrücklich zustimmen. Bürger können entweder ihre generelle Zustimmung bei der Meldebehörde erklären - oder aber das Unternehmen, das die Daten nutzen will, holt das Okay der Betroffenen ein. Meldeämter sollen stichprobenartig prüfen, ob solche Einwilligungserklärungen bei den Firmen vorliegen. Bei Verstößen wird ein Bußgeld fällig. Wer Melderegisterauskünfte stellt, muss den Zweck der Anfrage angeben und darf die Daten nur dafür nutzen. Danach sind die Daten zu löschen.
REHA-LEISTUNGEN: Die Bundesregierung fördert die Rehabilitation stärker. Ambulante Reha-Einrichtungen werden künftig in die Gewerbesteuerbefreiung einbezogen und damit stationären Einrichtungen gleichgestellt. Dies stärkt den Grundsatz „ambulant vor stationär“.
LEBENSVERSICHERUNGEN: Der Garantiezins für Lebensversicherungen und Rentenversicherungen sinkt ab 2015 auf 1,25 Prozent. Von der Garantiezinssenkung sind nur Neuverträge ab 2015 betroffen. Seit 2012 betrug die Mindestverzinsung 1,75 Prozent.
ALTERSVORSORGE: Diese wird attraktiver. So wie in den vergangenen Jahren steigt nach Angaben des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) auch 2015 der Abzugsbetrag für Beiträge zur Altersvorsorge wie der gesetzlichen Rentenversicherung oder privaten Rürup-Verträgen um zwei Prozentpunkte. 2015 sind 80 Prozent der Beiträge Sonderausgaben. Vom Arbeitnehmerbeitrag in die gesetzliche Rentenversicherung werden 60 Prozent berücksichtigt.
RENTENFREIBETRÄGE: Wie in den vergangenen Jahren erhalten Rentner, die 2015 in den Ruhestand gehen, laut NVL einen geringeren Rentenfreibetrag als frühere Rentnerjahrgänge. Bei Rentenbeginn 2015 beträgt der Freibetrag nur noch 30 Prozent der Jahresrente. Für Rentner früherer Jahrgänge bleibt eine höhere Rente steuerfrei. Wer Anfang 2015 in Rente geht, muss bereits ab einer Brutto-Jahresrente von mehr als 14 000 Euro mit einer Steuerbelastung rechnen, wenn er lediglich die gesetzlichen Versicherungsbeiträge als Ausgaben geltend machen kann.
SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGE: Gut verdienende Arbeitnehmer müssen 2015 dem NVL zufolge für einen höheren Bruttolohn Beiträge zahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung steigt von 5 950 Euro auf 6 050 Euro im Monat, in den neuen Bundesländern von 5 000 Euro auf 5 200 Euro. Bei der Kranken- und Pflegeversicherung gilt ab Januar eine Beitragsbemessungsgrenze von 4 125 Euro.
KIRCHENSTEUER: Ab 2015 führen Banken, Sparkassen, Versicherer oder Wohnungsbaugenossenschaften auch die auf Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer direkt ab. Die Kapitalertragsteuer wird schon seit 2009 direkt an der Quelle von Banken automatisch erhoben und an den Fiskus abgeführt. Die Kirchensteuer auf die Kapitalertragsteuer aber wurde nur nach Mitteilung des Steuerzahlers weitergeleitet. Nach Intervention der Kirchen wurde das Verfahren geändert: Ab dem 1. Januar 2015 ist es nicht mehr erforderlich, einen Antrag auf Einbehalt von Kirchensteuer auf abgeltend besteuerte Kapitalerträge zu stellen.
UMSATZSTEUER: Für „Mini-one-stop-shops“ gelten bei der Umsatzsteuer EU-Vorgaben. Mit diesen „kleinen Anlaufstellen“ soll die Erhebung der Mehrwertsteuer für Downloads von Unternehmen im Ausland erleichtert werden. Künftig gilt als Leistungsort bei Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen der Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Sitz hat. Dort, wo der Download stattfindet, ist die Steuer fällig und nicht mehr im Sitzland des Unternehmens. Damit sollen auch Steuerverlagerungen verhindert werden.
SAUNA/UMSATZSTEUER: Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent für Saunaleistungen läuft nach jetzigem Stand zum 1. Juli 2015 aus. Bisher werden Saunaleistungen generell als Heilbäder angesehen und daher ermäßigt besteuert. Ursprünglich sollte diese Praxis schon zum 1. Januar 2015 auslaufen. Bund und Länder haben aber vereinbart, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für alle Saunaleistungen noch bis zum 1. Juli 2015 gilt.
STEUERBETRUG/SELBSTANZEIGE: Für reuige Steuerbetrüger wird es ab Januar deutlich teurer, mit einer Selbstanzeige straffrei davonzukommen. Steuerbetrug bleibt ab 2015 lediglich bis zu einer hinterzogenen Summe von 25 000 Euro straffrei. Bei höheren Beträgen wird nur gegen Zahlung eines kräftigen Zuschlags von einer Strafverfolgung abgesehen: Bei mehr als 25 000 Euro gilt ein Aufschlag von 10 Prozent. Ab einem Hinterziehungsbetrag von 100 000 Euro werden 15 Prozent fällig, bei einer Million verlangt der Fiskus sogar 20 Prozent mehr. Für eine wirksame Selbstanzeige verlängert sich darüber hinaus der Offenlegungszeitraum. In Zukunft muss der reuige Steuersünder für zehn Jahre reinen Tisch machen.
BETRIEBSFESTE: Für Weihnachtsfeiern und sonstige betriebliche Veranstaltungen gelten neue steuerliche Regeln. Die bisherige Freigrenze von 110 Euro wurde in einen Freibetrag geändert. So wird bei Überschreiten der Grenze nicht mehr die gesamte Leistung komplett steuer- und sozialabgabenpflichtig, sondern nur der übersteigende Betrag. Allerdings werden laut NVL allgemeine Kosten der Betriebsveranstaltung grundsätzlich wieder einbezogen. Mit dem Wechsel von der bisherigen Freigrenze zum Freibetrag entfällt nach Aussage der Koalition für Unternehmen auch viel Streitpotenzial.