Bundeswehr Weißbuch-Wünsche etwas abgeschwächt
Berlin. Am Mittwoch hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) das neue "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr" präsentiert, eine 139 Seiten dicke Grundsatzbestimmung der deutschen Außen- und Militärpolitik.
Es gibt mehr und andere Gefahren als vor zehn Jahren, auch wieder Bedrohungen auf dem europäischen Kontinent selbst, lautet die Analyse. Deutschland soll deshalb mehr Verantwortung in der Welt übernehmen.
Das Werk, die erste Neufassung seit 2006, wurde zwar federführend im Verteidigungsministerium erarbeitet, doch entstand es in einem einjährigen öffentlichen Diskussionsprozess mit 6500 Experten, darunter ein Drittel aus dem verbündeten Ausland. Und nach ausführlicher Prüfung durch die anderen Ministerien. Man wollte ausdrücklich eine gemeinsame Plattform haben, auch weil moderne Sicherheitspolitik viel umfassender verstanden wird: Als Aufgabe nicht nur von Soldaten, sondern auch von Entwicklungshelfern, Polizisten und vor allem Diplomaten.
Der Hintergrund ist in dem Text beschrieben: Es gibt nicht mehr nur klassische Kriege, es gibt hybride, also versteckte Kriegsführung, es gibt Cyber-Kriege, es gibt Terrorismus, es gibt Destabilisierung, es gibt Flüchtlingsströme und Klimafolgen. Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik müssen zusammenarbeiten.
"Es gibt eine nie gekannte Dichte und Parallelität der Krisen", sagte von der Leyen bei der Vorstellung und nannte unter anderem die Krim und den IS. Wie zum Beweis musste die Bundeswehr kurzfristig am Mittwoch mit der Evakuierung deutscher Botschaftsangehöriger und Entwicklungshelfer aus dem Südsudan beginnen, wo der Bürgerkrieg immer mehr ausufert. Die Ministerin wollte die gestiegenen Anforderungen ursprünglich auch nutzen, um sich und ihrem Ressort mehr Einfluss zu sichern. Hier musste sie in der internen Abstimmung jedoch Abstriche gegenüber ihrem im Frühjahr präsentierten Entwurf hinnehmen. Vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wollte die Macht seines Amtes nicht beschneiden lassen.
So hatte von der Leyen den Bundessicherheitsrat, ein Gremium aus den neun wichtigsten für Sicherheitsfragen zuständigen Ministern, eigentlich zum "strategischen Impulsgeber und Steuerungsgremium" ausbauen wollen. Derzeit berät der Rat im Wesentlichen nur über Rüstungsexportanträge. Das wurde im Schlussdokument abgeschwächt. Das Außenministerium bereitet weiterhin die politischen Entscheidungen über Auslandseinsätze vor, das Verteidigungsministerium setzt sie bloß um.
Auch wurde die Absicht der Ministerin, die Bundeswehr im Innern einzusetzen, etwas ausgebremst. Von der zunächst gewünschten "Weiterentwicklung des Grundgesetzes" ist nun nicht mehr die Rede. Nun bleibt es bei der gegenwärtigen Rechtslage, nach der Soldaten in Amtshilfe nur bei einem "inneren Notstand" tätig werden dürfen, wozu aber laut gemeinsamer Interpretation der Regierung auch "terroristische Großlagen" gehören können. Die SPD beschwichtigte am Mittwoch erste aufkommende Kritik: Es handele sich nur um eng begrenzte Ausnahmefälle. Allerdings sollen laut von der Leyen schon bald gemeinsame Übungen mit der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten durchgeführt werden.
Völlig einig waren sich SPD und Union hingegen in einigen Punkten, die wiederum außerhalb der Regierungskoalition heftige Kritik erregten. So wehrte sich der Bundeswehrverband am Mittwoch gegen die Absicht, künftig auch EU-Ausländer in die Bundeswehr aufzunehmen. Das vertrage sich nicht mit dem besonderen Treueverhältnis des Soldaten zu seinem Staat, hieß es bei dem Verband.
Und die Formulierung im Weißbuch, dass die Armee eine Ausstattung bei Personal und Material brauche, "die sich an den Herausforderungen orientiert"- kurzum mehr Geld - stieß bei der Opposition auf starkes Missfallen: Das Ganze sei "ein Weißbuch für Aufrüstung und Krieg", kritisierte Christine Buchholz von den Linken.
Vollständiger Text im Internet: www.weissbuch.de