1000 Tage nach dem Berlin-Attentat Entschädigung für Opfer soll besser werden

Düsseldorf · 1000 Tage nach dem Berlin-Attentat gibt es laut Opferschützern weiter massive Defizite. Die soll ein neues Gesetz jetzt ausräumen.

Im Dezember 2016 richtete Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad an.

Foto: dpa/Michael Kappeler

An diesem Samstag ist der Terroranschlag mit elf Toten und 55 Verletzten auf dem Berliner Breitscheidplatz genau 1000 Tage her. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring nimmt das zum Anlass, auf gravierende Defizite bei der Entschädigung und Versorgung von Terroropfern hinzuweisen. Auch Opfer psychischer Gewalt seien bislang rechtlich nicht für eine staatliche Entschädigung vorgesehen. Das soll sich ändern: In der kommenden Woche soll der Bundesrat über eine Novelle des Sozialen Entschädigungsrechts beraten, voraussichtlich ab Oktober dann der Bundestag.

Der Weiße Ring schildert in einer Mitteilung das Schicksal einer Frau, die 2016 bei dem Berliner Attentat durch den Lkw schwer verletzt wurde, unter den Folgen bisher leidet, aber keine Hilfe erhält. Und den Fall einer fünffachen Mutter, die nahe Augenzeugin wurde und bis heute Schlafstörungen hat – ebenfalls ohne Entschädigung. Das Tatmittel Fahrzeug sei im Opferentschädigungsgesetz bislang nicht vorgesehen, erklärt Jörg Bora, Weißer-Ring-Landesvorsitzender für NRW/Westfalen-Lippe. Die Opfer hätten durch die Verkehrsunfallhilfe entschädigt werden müssen, lediglich ein Härtefall-Erlass in Berlin und NRW habe für die Berlinopfer Ausnahmen ermöglicht. Auch ein Ausgleich für psychischen Folgen bei Augenzeugen oder Angehörigen sei im geltenden Recht nicht vorgesehen.

Beispiele hat Jörg Bora genug: Stalking-Opfer etwa, die nach zwei Jahren ständigen Terrorisierens vor Angst nicht einmal mehr aus dem Haus gehen können – aber psychische Gewalt ist ebenso wie jene mit Kfz im Opferentschädigungsrecht nicht enthalten. Und natürlich war er selbst eng im Missbrauchsfall Lügde eingebunden, wo sich die Schwächen des psychologischen Erste-Hilfe-Systems zeigten. Standards, nach denen solche Opfer betreut werden müssen, gebe es schlicht nicht. Organisationen wie der Weiße Ring seien eingesprungen, doch Bora ist sicher: „Wir brauchen Hilfe von Staats wegen.“ Hinzu kommt laut den Opferschützern, dass eine Entschädigung oft in langjährigen Verfahren stecken bleibt. Das gelte etwa für Missbrauchsopfer, bei denen die Taten schon länger zurückliegen.

Traumaambulanzen und einfachere Verfahren

Den ersten Entwurf für eine Gesetzesnovelle legte das Bundessozialministerium 2017 zeitnah nach dem Breitscheidplatz-Terror vor. Der Weiße Ring sei seither eng in den Prozess eingebunden gewesen. Was das Kabinett nunmehr beschlossen hat, ist für Bora ein großer Schritt für den Opferschutz. „Mehr Transparenz und Rechtssicherheit“, verspricht auf Anfrage auch das Sozialministerium, sowie „schnellere und bessere Leistungen für Berechtigte der Sozialen Entschädigung“. Und Traumaambulanzen sollen gesetzlich normiert werden. Die bisherige Rechtslage orientiere sich laut Ministerium noch stark an der Kriegsopferversorgung von 1950 und werde den individuellen Bedarfen von Gewaltopfern nicht mehr gerecht. Das soll sich ändern – wenn die Länder zustimmen.