Werteunion Welche Rolle die Werteunion innerhalb der CDU spielt
Düsseldorf · Nach der Sachsen-Wahl rühmt sich der Flügel, das CDU-Ergebnis erkämpft zu haben. Unterstützung für die Werteunion kommt aus NRW.
Sogar Fürstin Gloria von Thurn und Taxis war am Sonntag gekommen, um im Hotel Penck nahe Landtag und Zwinger in Dresden mitzufeiern. Es sei ein zuerst nachdenklicher, dann aber noch angenehmer Abend gewesen, erzählt der ehemalige und umstrittene deutsche Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Podcast des Journalisten Gabor Steingart und meint die Wahlparty der Werteunion am Abend der Sachsenwahl mit etwa 70 Gleichgesinnten. Am nächsten Morgen tippt der Kölner Anwalt Ralf Höcker als Pressesprecher dieses konservativen Kreises innerhalb der CDU eine Pressemitteilung in seinen Rechner, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt: „WerteUnion gratuliert CDU Sachsen zur Wahl – Ergebnis über den Erwartungen dank Wahlunterstützung durch H.-G. Maaßen.“
Danach folgen Empfehlungen des mit neuem Selbstbewusstsein ausgestatteten Flügels für die sächsische Regierungsbildung. Empfohlen wird eine „bürgerliche Minderheitsregierung“. SPD und Grüne (Maaßen sagt an jenem Abend, die Grünen seien „eine esoterische Umweltsekte“) kämen nicht infrage, die AfD auch nicht. Dass Ministerpräsident Michael Kretschmer das immer anders gesehen hat und eine Minderheitsregierung auf eine Tolerierung durch die AfD hinausliefe, ficht die Werteunion nicht an. Ohnehin findet man den studierten Wirtschaftsingenieur Kretschmer undankbar, weil der zuletzt gegen die Wahlkampfauftritte Maaßens in Sachsen offensiv gewettert hatte: Die Werteunion, heißt es offiziell in dem Schreiben, kritisiert „die ablehnende Haltung der Parteiführung um Annegret Kramp-Karrenbauer und den sächsischen Ministerpräsidenten gegenüber dem Wahlkampfengagement der Werteunion für die sächsische CDU“.
Wie gespalten oder – positiver formuliert – auch breit die CDU im Angesicht ihrer Vorsitzenden Annegret Kamp-Karrenbauer ist, zeigt nicht nur diese innerparteiliche sächsische Posse aus dem Wahlkampf. Dort, wo Maaßen die Säle zum Kochen gebracht habe, wie Ulrich Link, Vorsitzender des sächsischen Verbands der Werteunion, dem Berliner „Tagesspiegel“ erzählte: „Uns rennen die Leute für die Mitgliedsanträge die Bude ein.“ Dass AKK Maaßen kurz vor der Sachsen-Wahl auf den Index gesetzt hat und ihn für einen Parteiausschluss vorschlug, entsetzt CDU-Politiker, die der Werteunion nahe stehen, noch immer. „Ich habe für Zeitpunkt und Inhalt kein Verständnis“, sagt Wolfgang Bosbach gegenüber dieser Zeitung. Und der NRW-Innenpolitiker im Ruhestand fügt an: „Mir ist es doch lieber, dass diese CDU-Mitglieder, die ihre Partei nicht mehr wiedererkennen, bei der Werteunion sind, als dass sie in die politische Enthaltung oder zur AfD gehen.“
Bosbach ist nicht Mitglied der Werteunion, aber er findet sie „wichtig, ich bin froh, dass es sie gibt, sonst würden wir noch mehr Rückhalt verlieren“. Wo das Bündnis wirbt, ist Bosbachs Kopf nicht weit. Warum ist er dann nicht gleich dabei? „Weil ich in der CDU bin“, sagt Bosbach bestimmt. „Ich will mitten in der Partei für meine Überzeugungen streiten.“
Überhaupt ist es schwierig, Politiker aus der ersten Reihe zu finden, die die 20 Euro Mindestbeitrag für die Werteunion auch vor Kameras ins Säckel werfen würden. Wohl auch, weil man in der ersten Reihe gerne wählbar bleibt und sich nicht zu weit rechts fixieren lässt. Zur Seite springen dem Flügel, der als Gliederung vom Parteivorstand abgelehnt worden ist, aber einige: Nähe ohne Mitgliedschaft, das ist gerade recht, auch in NRW. Gesundheitsminister Jens Spahn schickt schon mal Grußbotschaften zum Sektionstreffen, CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann soll sympathisieren. Und Sylvia Pantel, CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Düsseldorfer Süden, sagt dieser Zeitung: „Die Anliegen der Werteunion teile ich in vielen Bereichen ideell, auch wenn ich dort kein Mitglied bin.“ Die Werteunion stehe für „werteorientiertes politisches Handeln“ und habe damit, so Pantel, „einen ganz wesentlichen Anteil an der Stabilisierung der CDU in Sachsen gehabt“. Maaßen stärke das „Wertespektrum der CDU“. Und sie sagt: Die Werteunion habe für die CDU „geistig-politisch eine große Bedeutung, will die CDU Volkspartei bleiben“. Pantel ist wie Bosbach und CDU-Bundestagsabgeordnete wie Arnold Vaatz oder Klaus-Peter Willsch Mitglied im Werteunion-Partnernetzwerk „Berliner Kreis“ engagiert. Sie kämpft dort laut Internetseite um „Wertkonservative, christlich-soziale und wirtschaftsliberale Wähler“. Die Konservativen mögen in der CDU-Spitze keinen großen Auftritt haben, ihre Kraft an der Basis aber ist nicht gering. Wann schlägt das durch?
Bosbach: Das sind nicht nur
einige wenige Versprengte
Mehr als 3000 Mitglieder hat die Werteunion nach eigener Angabe, mehr als 600 sollen es allein in NRW sein. Mitgliederlisten? Gibt es auf Anfrage nicht. Bosbach will aber festhalten, dass es sich nicht nur „um einige wenige Versprengte und Grenzgänger zur AfD handelt, wie es uns die CDU-Parteispitze glauben machen will“. Das seien „Mitglieder, die ich persönlich kenne, die kommunalpolitisch seit Jahrzehnten Verantwortung tragen, und die ich überhaupt nicht verdächtige, rechtslastig zu sein“.
Wenn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet als CDU-Landesvorsitzender auf die Werteunion angesprochen wird, hört sich das schon mal anders an. Laschet glaubt zu wissen, wie man den Spuk der Rechtskonservativen in eigenen Reihen beenden kann, ohne die AfD stark zu machen. Er verweist dann gerne auf die sieben Prozent, die die AfD in NRW bei der Landtagswahl 2017 erntete und meint eine Marginalisierung – trotz Strukturproblemen und frustrierter Arbeiterklasse im Ruhrgebiet als vermeintlicher Nährboden. Dass er Herbert Reul als „Null-Toleranz-Innenminister“ eingestellt und Wolfgang Bosbach in der Kommission zur Inneren Sicherheit tüfteln lässt, gibt Laschet jene Breite, die mancher in der Bundes-CDU gerne sähe. Aber der Eindruck ist gerade eher, dass AKK den Geist, den sie aus der Flasche ließ, als sie nach ihrer Vorsitzenden-Wahl auf die Konservativen zuging, schnell wieder einholen würde.
Findet auch Bosbach. „Unter Helmut Kohl war die Meinungsvielfalt in der Union viel größer. Der hat damals viel laufen lassen, so lange man nicht die Macht des Vorsitzenden infrage stellte. Das hat sich in den letzten Jahren verändert, das ist enger geworden. Aber wenn man es eng macht, muss man die Flügel auch mal laufen lassen“, empfiehlt Bosbach. Warum in NRW die AfD nicht annähernd so stark ist wie im Osten oder anderen Bundesländern, erklärt Pantel über Köpfe: „Die CDU in NRW verfügt zum Beispiel mit Friedrich Merz und Wolfgang Bosbach über Persönlichkeiten, die für werteorientierte, geistig-politische Konzepte stehen.“
Dass Laschet die Werteunion nicht wirklich ernst nimmt, nervt Simone Baum gehörig. Die 59 Jahre alte gebürtige Ostdeutsche führt den NRW-Flügel, sie habe Laschet den Dialog angeboten, aber eine Antwort nie bekommen, sagte Lange der „WAZ“ in einem Gespräch, in dem sie auch verriet, wie man die Werteunion innerhalb der CDU noch gewichtiger mache: „Sobald sich Frau Kramp-Karrenbauer uns gegenüber negativ äußert, haben wir eine Eintrittswelle. Als darüber diskutiert wurde, Hans-Georg Maaßen aus der Partei auszuschließen, haben wir so viele Beitritte bekommen wie sonst in einem Monat.“