Meinung Die Arbeiterklasse wählt jetzt rechts

Meinung · Dass die AfD in den sogenannten abgehängten Gebieten des Ostens vorne liegen würde, war vermutet worden. Überraschender sind die anderen Befunde der Wahlanalyse.

In der kleinen Gemeine Hirschfeld im Amt Schradenland haben 50,6 Prozent der Wähler bei der Landtagswahl ihre Zweitstimme der AfD gegeben. Bis zur Landesgrenze nach Sachsen sind es von Hirschfeld nur einige Kilometer.

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Die Rechtspopulisten schneiden in den mittleren Altersgruppen am besten ab. Es sind keineswegs nur Wendeverlierer, die für sie gestimmt haben. Unter den Arbeitern sind sie die klar stärkste Partei geworden. In Sachsen kommt die AfD in dieser Berufsgruppe auf 41 Prozent. Die traditionellen Arbeiterparteien SPD und Linke erreichen nur 15 Prozent - zusammen. Ähnlich in Brandenburg.

Bei SPD und Linken dürfte das Werk des französischen Soziologen Didier Eribon, „Rückkehr nach Reims“, nun wohl stärker nachgefragt sein. Er hat für Frankreich analysiert, warum die Arbeiterklasse von ganz links nach ganz rechts wandert. Ein Befund: Nationalismus und Rassismus waren dort nie verschwunden. Ein weiterer: Diese Schicht reagiert sehr sensibel auf Veränderungen und neue Konkurrenzen.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

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Ökologie, antiautoritäre Erziehung, multikulturelles Zusammenleben, demokratischer Diskurs – all das sind Westimporte, gelebt vor allem in den Großstädten. Der Osten ist eine Region, in der andere Werte dominieren: Deutsch sein, Ordnung, Sauberkeit.

Sahra Wagenknecht, hatte für die Linke schon vor Jahren Konsequenzen angemahnt, vor allem in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Ebenso Oskar Lafontaine. In der SPD flammte die Debatte nur kurz auf, als man nämlich registrieren musste, dass die dänischen Sozialisten mit ihrem harten Kurs gegen Migranten Erfolge feierten. Auch ließen Andrea Nahles und ihr Vorgänger Sigmar Gabriel manchmal eine Ahnung von der Problematik durchschimmern.

Doch in beiden Parteien dominieren akademische Milieus. Beiden ist der emotionale Bezug zur Arbeiterschaft weitgehend verloren gegangen. Dafür müssten sie mit ihren sozialen Forderungen wie Grundrente, faire Arbeit und Vermögenssteuer radikaler werden, ganz besonders die Sozialdemokraten. Und in der Migrationspolitik sowie bei der inneren Sicherheit restriktiver, ganz besonders die Linke. Außerdem müssten sie sich auf echte Alltagsthemen konzentrieren.

Bisher sind Debatten darüber bei SPD und Linken tabu – während in der AfD der Höcke-Flügel schon an einer national-sozialen Programmatik arbeitet, die das Flüchtlingsthema ergänzen soll. Derzeit noch mit erheblichen inneren Widersprüchen, etwa bei der Rente. Doch wenn der AfD das gelingen sollte, wird es für SPD wie Linke auch im Westen schwierig. Dass ihre Appelle an den proletarischen Internationalismus wirken, darauf werden sie sich jedenfalls nicht verlassen können.