Milliarden für die Alterssicherung Wer vom 30-Milliarden-Paket für Rentner profitiert
Die Sorge vor Altersarmut ist in Deutschland verbreitet - auch die Koalition hat diesem Problem den Kampf angesagt. Jetzt hat der Arbeitsminister konkrete Pläne für eine Rentenreform vorgelegt.
Berlin. Ein stabiles Rentenniveau, höhere Altersbezüge für kinderreiche Mütter und Erwerbsgeminderte sowie Entlastungen für Niedrigverdiener - das sind die zentralen Elemente des neuen Rentenpakets der Bundesregierung. „Die Rente ist ein Kernersprechen unseres Sozialstaats“. Darauf müsse Verlass sein, „heute und in Zukunft“, sagte Sozialminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag bei der Vorstellung seines Gesetzentwurfs in Berlin.
Zeigte sich am Freitag zufrieden mit dem Kompromiss: Hubertus Heil. Foto: dpa
Eigentlich sollte die Vorlage schon Anfang Juli vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Doch hinter den Kulissen gab es Unstimmigkeiten unter den schwarz-roten Koalitionspartnern. Und die halten auch noch an. Nun drückt Heil auf Tempo. Er will, dass das Kabinett gleich nach der Sommerpause grünes Licht gibt, damit die Maßnahmen pünktlich zum 1. Januar 2019 in Kraft treten können. Und das ist konkret vorgesehen:
RENTENNIVEAU: Wie schon im Koalitionsvertrag verabredet soll es eine „doppelte Haltelinie“ geben. Demnach wird das Rentenniveau von jetzt 48 Prozent bis einschließlich 2025 festgeschrieben. Zugleich darf der Beitrag in diesem Zeitraum nicht über 20 Prozent vom Bruttolohn steigen. Derzeit sind es 18,6 Prozent. Über das Rentenniveau wird immer wieder im Zusammenhang mit dem Thema Altersarmut diskutiert. Dabei handelt es sich nur um ein statistisches Konstrukt. Es setzt die Rentenhöhe eines Versicherten mit 45 Beitragsjahren und stets durchschnittlichem Verdienst ins Verhältnis zum jeweils aktuellen Durchschnittseinkommen der Beschäftigten. Die individuelle Rentenhöhe kann jedoch höher oder niedriger ausfallen.
MÜTTERRENTE: Noch immer sind Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, rentenrechtlich schlechter gestellt als jüngere Mütter. Künftig sollen auch sie einen dritten Entgeltpunkt pro Kind bekommen, was die Rente um rund 30 Euro erhöht. Allerdings gilt das nur für Frauen mit mindestens drei Kindern. So ist es in der Koalitionsvereinbarung festgelegt. Und so steht es auch in Heils Vorlage. Experten haben hier allerdings verfassungsrechtliche Bedenken. Und Heil offenkundig auch. Nach eigenem Bekunden peilt der SPD-Mann eine Alternative an. Demnach sollen ausnahmslos alle älteren Mütter zusätzlich einen halben Entgeltpunkt gutgeschrieben bekommen. Die Kosten blieben ungefähr gleich. Dagegen sträubt sich aber die Union. Heil hofft hier noch auf das weitere parlamentarische Verfahren.
ERWERBSGEMINDERTE: Rund 1,8 Millionen Rentner sind in Frührente wegen einer persönlichen Erkrankung. Für Neurentner im Jahr 2019 will Heil die sogenannte Zurechnungszeit deutlich ausweiten. Heute werden Betroffene bei der Rente so behandelt, als hätten sie bis 62 Jahre und drei Monate weiter gearbeitet. Dies soll in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate verlängert werden. Danach wird die Zurechnungszeit von 2020 bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre ausgeweitet. Von der Rentenverbesserung profitieren laut Heil jährlich etwa 170.000 Menschen. Ein Durchschnittverdiener, der seit 1990 gearbeitet hat und mit 50 Jahren voll erwerbsgemindert ist, kommt nach dem neuen Recht auf etwa 90 Euro mehr Rente im Monat.
GERINGVERDIENER: Derzeit müssen Beschäftigte mit einem Lohn von mehr als 850 Euro im Monat die vollen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zahlen. Die Belastung baut sich in einer „Gleitzone“ zwischen 450 und 850 Euro auf. Künftig sollen die vollen Abgaben erst bei 1300 Euro greifen, ohne dadurch die spätere Rente zu schmälern. Davon profitieren rund drei Millionen Menschen. Wer dann 850 Euro im Monat verdient, hätte nach Angaben von Heil pro Jahr 270 Euro mehr in der Tasche.
KOSTEN: Die neuen Mütterrenten kosten pro Jahr rund 3,7 Milliarden Euro, die Verbesserungen für Erwerbsgeminderte und Entlastungen für Geringverdiener anfänglich 100 Millionen beziehungsweise 200 Millionen Euro. Weitere Milliarden kommen durch die „doppelte Haltelinie“ hinzu. Der Rentenbeitrag kann daher auch nicht wie ursprünglich kalkuliert um 0,3 Prozentpunkte auf 18,3 Prozent im kommenden Jahr sinken. Außerdem soll zwischen 2022 und 2025 ein „Demografiefonds“ im Umfang von insgesamt acht Milliarden Euro aufgebaut werden. Auch hier hat die Union schon Bedenken angemeldet. Hinzu kommt im gleichen Zeitraum ein jährlicher Extra-Zuschuss von 500 Millionen Euro für die allgemeine Rentenversicherung. Nach Angaben von Heil wird das neue Rentenpaket im Jahr 2025 insgesamt 30 Milliarden Euro kosten. Davon kommen 19 Milliarden aus Beiträgen und 11 Milliarden Euro aus Steuermitteln.