Westerwelle denkt nicht an Rückzug
Berlin (dpa) - Der schwer angeschlagene FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle will es nochmal wissen. Er denke nicht an einen Rückzug und wolle die Partei auch in die anstehenden Landtagswahlkämpfe führen, hieß es am Montag in Berlin nach einem Strategietreffen mit seinen engsten Beratern in der Parteiführung.
Ein Reform-Appell von drei FDP-Spitzenpolitikern verdeutlicht indes die Unruhe bei den Liberalen. Westerwelle werde am Donnerstag beim FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart „sehr selbstbewusst und offensiv ausgerichtet“ auftreten, berichteten Teilnehmer des Strategiegesprächs der Nachrichtenagentur dpa. Wegen des FDP-Absturzes in den Umfragen von knapp 15 auf etwa 5 Prozent innerhalb eines Jahres ist Westerwelle innerparteilich massiv unter Druck.
Vor Weihnachten gab es aus einzelnen Landesverbänden Rücktritts-Aufforderungen. Deshalb wird Westerwelles Auftritt in Stuttgart mit großer Spannung erwartet. Der FDP-Chef hat seine Rede in den vergangenen zwei Wochen während eines Urlaubs in Ägypten intensiv vorbereitet. Er werde keinen Kurswechsel verkünden, jedoch „eine Positionsbestimmung der FDP in der Koalition“ vornehmen, heißt es.
Drei liberale Spitzenpolitiker gehen derweil mit einem Reform-Appell unter dem Titel „Jetzt erst recht“ in die Offensive. In einem entsprechenden Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag) fordern FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der niedersächsische FDP-Vorsitzende und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sowie der NRW-Landesvorsitzende Daniel Bahr eine Schärfung des Profils der Partei.
Die drei FDP-Führungsfiguren kritisierten in dem „Neujahrsappell“ die innerparteilichen Personaldebatten, weil diese den erforderlichen „Erneuerungsprozess“ gefährdeten. Zugleich bemängelten sie den Kurs der Parteispitze: „Die erfolgreiche Oppositionsarbeit zur großen Koalition hatte allerdings dazu geführt, dass das Bemühen um thematische Verbreiterung und um die sympathische Vermittlung unser konzeptionellen Vorschläge weniger dringlich schien.“
Wie die dpa am Abend erfuhr, wurde Westerwelle von den Autoren über Inhalte des Appells in Kenntnis gesetzt, der Text wurde jedoch nicht mit ihm abgestimmt. Westerwelle wird in dem Appell laut Zeitung nur mit dem Hinweis erwähnt, unter seiner „Federführung“ seien in der FDP-Krise der 90er Jahre die „Wiesbadener Grundsätze“ formuliert worden, durch die die Partei damals „neues Vertrauen“ gewonnen habe.
Bahr sagte der dpa: „Wir müssen durch Regierungshandeln Profil zeigen und die Erfolge der FDP stärker herausstellen. Die FDP darf ihre Ziele in der Koalition nicht weiter in Kompromissen zerfasern lassen.“ Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium kritisierte auch den Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Koalitionspartner: „Wir müssen in der Koalition einander Erfolge gönnen können.“ Bahr warnte die FDP vor einem überstürzten Führungswechsel: „CSU und SPD haben uns vorgemacht, dass man mit kurzsichtigen Personaldebatten keine Bewährungsprobe besteht.“
Auch die baden-württembergische FDP-Vorsitzende und Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, verlangte ein Ende der Debatte über Westerwelle. „Wir haben einen erfolgreichen Bundesvorsitzenden.“ Die Frage, ob Westerwelle aus ihrer Sicht beim nächsten Bundesparteitag im Mai wieder für den Vorsitz kandidieren soll, ließ sie jedoch unbeantwortet. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte sich demonstrativ hinter Westerwelle. „Ja, er ist der richtige Parteivorsitzende. Wir werden jetzt gemeinsam in dieses Jahr starten“, sagte sie im NDR.
Aus der Regierungsspitze wurden die angeblichen vertraulichen Gespräche von Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer mit Westerwelle, um den FDP-Chef zum Durchhalten zu ermuntern, relativiert. In den vergangenen Tagen habe es ein solches Treffen nicht geben können, weil der Vizekanzler gar nicht in Deutschland war. Aus früheren Koalitionsgesprächen werde nicht berichtet, sagten Sprecher.
In ihrem Appell werfen Lindner, Rösler und Bahr den Unions-Parteien vor, die FDP in „kräftezehrende“ Debatten geführt zu haben, „an deren Ende nicht durchgreifende Reformen, sondern nur Kompromisse stehen“. Sie fügen an, die FDP solle „unsere Partner stärker als bisher durch eigene Vorschläge programmatisch herausfordern, um im gemeinsamen Interesse zu ehrgeizigeren Vorhaben zu kommen“.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle kündigte für 2011 eine härtere Gangart seiner Partei in der schwarz-gelben Koalition und im Bundeskabinett an. „Die FDP muss jetzt aufstehen und kämpfen“, sagte der Bundeswirtschaftsminister dem „Handelsblatt“ (Dienstag). Alle FDP-Minister im Kabinett seien gemeinsam mit der Fraktionsführung aufgefordert, sich einzubringen, so dass die Ausrichtung klar erkennbar werde. Die schwachen Umfragewerte für die Liberalen verglich Brüderle mit einem Niederschlag im Boxkampf. „Wenn du am Boden liegst, musst du wieder aufstehen. Sonst zählt der Ringrichter bis zehn und der Kampf ist verloren.“