Westerwelle lobt Obama: „Eine mutige und kluge Rede“
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat vor dem Hintergrund der Neuausrichtung der Bundeswehr die Kultur der militärischen Zurückhaltung bei Auslandseinsätzen betont.
Herr Minister, US-Präsident Barack Obama hat in einer Grundsatzrede eine Zwei-Staaten-Lösung für den Frieden in Nahost gefordert. Israels Präsident Benjamin Netanjahu reagierte enttäuscht. Die US-Regierung verstehe nicht, womit Israel konfrontiert sei. Was sagen Sie?
Westerwelle: Präsident Obama hat mit seiner mutigen und klugen Rede deutlich gemacht, dass die Umbrüche in der arabischen Welt eine große Chance für Fortschritte im Nahost-Friedensprozess sind. Das ist auch unsere Haltung. Eine umfassende und gerechte Zwei-Staaten-Lösung ist alternativlos und dringlich. Sie hätte auch eine enorme Schubwirkung für den demokratischen Aufbruch in der ganzen Region.
Es sieht so aus, als ob Resolutionen der Weltgemeinschaft einen wahnwitzigen Machthaber wie Oberst Gaddafi nicht beeindrucken. Muss die NATO noch härter eingreifen, womöglich mit Bodentruppen?
Westerwelle: Die Grenzen des Militärischen sind sichtbar. Wir setzen auf eine politische Lösung. Das ist auch die Auffassung der Libyen-Kontaktgruppe, der Deutschland angehört.
Kann es noch eine Verhandlungslösung in Libyen geben, nachdem der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Gaddafi beantragt hat?
Westerwelle: Das ist eine für das internationale Recht bedeutsame Entscheidung. Es ist richtig, dass ein Mann, der einen Krieg gegen das eigene Volk begonnen hat, sich seiner persönlichen Verantwortung nicht entziehen kann. Aber wie am Ende ein Dialog über eine politische Lösung gestaltet werden kann, darüber will ich jetzt nicht spekulieren. Wir haben Sanktionen verhängt. Dazu kommt die internationale Strafgerichtsbarkeit. Eine entscheidende Rolle spielen die Vereinten Nationen und ihr Sondergesandter für Libyen, der frühere jordanische Außenminister Abdul Ilah al-Khatib.
Gleichwohl steht eine Reform des Weltsicherheitsrates an. Wäre es nicht an der Zeit, den Staaten Afrikas und Asiens einen ständigen Sitz einzuräumen? Europa respektive Deutschland müsste dann zurückstehen.
Westerwelle: Die Architektur der Vereinten Nationen spiegelt die politischen Verhältnisse in der Welt nach Ende des Zweiten Weltkrieges wider. Dass Lateinamerika und Afrika nicht ständig vertreten sind, dass Asien im UN-Sicherheitsrat unterrepräsentiert ist, schadet der Autorität der UN, da sich die neuen Verhältnisse in der Welt darin nicht wiederfinden. Deshalb ist die Reform der Vereinten Nationen für uns ein wichtiges Anliegen. Deutschland ist als einer der größten Beitragszahler bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Was heißt das dann für die deutschen Ambitionen?
Westerwelle: Deutschland kooperiert mit Brasilien, Indien und Japan in der G4-Gruppe. Wir haben gemeinsam verabredet, eine Reform der Vereinten Nationen voranzubringen. Es geht nicht um bloße nationale Interessen, sondern darum, dass die Vereinten Nationen die Gewichte in der Welt widerspiegeln müssen. Wir unterstützen die Initiativen des Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, des Schweizers Joseph Deiss.
In Afghanistan soll in diesem Jahr mit der Übergabe der Verantwortung begonnen werden. Muss Ihnen nicht angst und bange werden, wenn Sie sehen, dass afghanische Militärs auf ihre westlichen Ausbilder schießen und dabei immer wieder Massaker anrichten?
Westerwelle: Wir werden uns in Afghanistan noch auf manchen Rückschlag einstellen müssen. Trotzdem ist es richtig, mit der Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit im Land jetzt zu beginnen. Wir können und wollen nicht auf Dauer mit deutschen Kampftruppen in Afghanistan bleiben. Wir haben uns in den vergangenen anderthalb Jahren eine Abzugsperspektive erarbeitet. Wir setzen auf eine politische Lösung, denn eine militärische Lösung wird es in Afghanistan nicht geben. Aussöhnung und Wiederaufbau sind die Hauptaufgaben. Daran arbeiten wir. So können wir es schaffen, dass die Afghanistan-Konferenz im Dezember in Bonn zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem selbst bestimmten Afghanistan wird.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat jetzt seine Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft vorgelegt. 10 000 deutsche Soldaten sollen demnach künftig für Auslandseinsätze bereitstehen. Wo sehen Sie die sicherheitspolitische Begründung für solche Missionen?
Westerwelle: Ich begrüße, dass der Verteidigungsminister die Bundeswehr effizienter organisieren will. Das ist eine bedeutende Strukturreform, die mit der Umstellung von einer Wehrpflichtigen- zu einer Freiwilligenarmee zusammenhängt. Diese Umstellung haben meine Partei und ich seit langem gefordert und gefördert. Was mögliche Einsatzszenarien angeht, bleibt es bei dem Primat der Politik. Und es bleibt bei der Kultur der militärischen Zurückhaltung. Die Bundeswehr wird auch in Zukunft nur im Ausland eingesetzt, wenn ein solcher Einsatz international mandatiert ist und wenn er unbedingt erforderlich ist.
Mit der Bundeswehrreform ist eng auch die Zukunft des Standortes Bonn verknüpft. Sie sind wie Ihr Kabinettskollege de Maizière Bonner. Kann es sein, dass das Ministerium komplett nach Berlin verlegt wird und Bonn mit einem Bundeswehramt abgefunden wird?
Westerwelle: Zu diesen Reformüberlegungen sollte der Verteidigungsminister das erste Wort haben. Dass ich als Bonner mit heißem Herzen bei diesen Debatten dabei bin, versteht sich von selbst. Die Euro-Krise ist noch nicht gebannt. Erst ein Rettungsschirm im vergangenen Jahr für Griechenland, dann Hilfen für Irland, jetzt bekommt auch noch Portugal 78 Milliarden Euro frisches Geld.
Ist die Währungsgemeinschaft noch stabil?
Westerwelle: Der Euro ist stabil und unsere Währungsgemeinschaft ist es auch. Die Bundesregierung hat im letzten Jahr eine verantwortungsvolle Politik betrieben. Einerseits sind wir zu Solidarität bereit, denn ein stabiler Euro liegt in unserem wohlverstandenen eigenen Interesse. Andererseits müssen wir auf manche Länder einwirken, zur finanzpolitischen Stabilität zurückzukehren und sich Strukturreformen zu öffnen. Ich begrüße die vielen Fortschritte, die diese Länder gemacht haben. Wenn über Europa gesprochen wird, rate ich dazu, nicht nur danach zu fragen, was es kostet, sondern auch, was es wert ist. Europa ist unsere Wohlstandsversicherung in Zeiten der Globalisierung. Ein Zurück zu nationalen Währungen wäre ein törichtes Abenteuer und sehr riskant auch für deutsche Arbeitsplätze.
Können sich deutsche Sparer darauf verlassen, dass ihr Geld sicher ist?
Westerwelle: Ja.
Mit etwas Abstand zum FDP-Parteitag. Ist inzwischen auch eine Last von Ihnen abgefallen, den FDP-Vorsitz nicht mehr schultern zu müssen?
Westerwelle: Ich freue mich, dass ich jetzt meine gesamte Arbeitskraft auf das Amt des Außenministers konzentrieren kann. Die weltweiten Umbrüche sind fordernd genug.