Asylbewerber Widerstand gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Die Bundesländer haben Bedenken wegen der Sicherheitslage in Afghanistan. Die Bundesregierung will dagegen an ihrer Praxis festhalten.

Unter den Bundesländern wächst der Widerstand gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan.

Foto: Christian Charisius

Berlin. Unter den Bundesländern wächst der Widerstand gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan. Auslöser dafür sind Berichte der Vereinten Nationen über eine sich verschlechternde Sicherheitslage in dem Krisenstaat. Die Bundesregierung räumt ein, die Situation in Afghanistan sei nicht gut. Dennoch sieht sie keinen Grund für einen Abschiebestopp.

Nach Schleswig-Holstein und Berlin zweifeln inzwischen auch Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz an der Sicherheitslage in Afghanistan, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag berichteten. Demnach erklärte Niedersachsens Innenministerium auf Anfrage, dass derzeit Rückführungen nach Afghanistan "im Zweifel bis zur Klärung der Sicherheitslage zurückgestellt werden". Dies gelte aber nicht für ausreisepflichtige Straftäter.

Auch aus Rheinland-Pfalz werden den Berichten zufolge derzeit nur Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben. "Der neueste Bericht des UN-Flüchtlingswerks bestärkt das Ministerium in dieser Haltung", sagte ein Sprecher den Zeitungen. In dem Bericht heißt es, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich in den letzten Monaten drastisch verschlechtert.

Die Bremer Innenbehörde beruft sich den Funke-Zeitungen zufolge ebenfalls auf die Sicherheitslage: "Zurzeit schiebt Bremen nicht nach Afghanistan ab, da die Einzelfallprüfungen bislang jeweils Abschiebehindernisse zum Ergebnis hatten, darunter waren auch Sicherheitsbedenken", sagte ein Sprecher.

Das Bundesinnenministerium hatte nach Abschluss eines Rückführungsabkommens mit Afghanistan im Oktober die Bundesländer aufgefordert, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben. Im Dezember wurde mit Sammelabschiebungen begonnen. Das Vorgehen ist umstritten, weil sich in weiten Teilen Afghanistans Regierungstruppen und radikalislamischen Taliban bekämpfen. Auch die Anschlagsgefahr ist groß.

Wie die UN-Mission in Afghanistan (Unama) am Montag mitteilte, erreichte die Zahl ziviler Opfer bei Kämpfen und Angriffen im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand. Demnach gab es 2016 fast 11.500 zivile Tote oder Verletzte, ein Drittel davon waren Kinder. Die Mission dokumentierte nach eigenen Angaben fast 3500 Todesopfer und mehr als 7900 Verletzte. Das war ein Anstieg von drei Prozent gegenüber 2015.

Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen besonders in dicht besiedelten Gebieten seien weiterhin der Hauptgrund für die zivilen Opfer. Die Gewalt betreffe alle 34 Provinzen und die UN-Mission habe eine "Rekordzahl an zivilen Opfern" bei Kämpfen am Boden, Selbstmordanschlägen und anderen Angriffen sowie Sprengstoffexplosionen dokumentiert.

Die Bundesregierung sieht aber keinen Grund, ihre Haltung zu den Abschiebungen in das Land zu ändern. Die Lage in Afghanistan sei "nicht gut", räumte Außenamtssprecher Martin Schäfer ein. "Natürlich gibt es Regionen, in denen die Taliban in den letzten Monaten militärische Fortschritte gemacht haben." Er glaube aber nicht, "dass das aus Sicht der Bundesregierung jetzt eine generelle Neubewertung innenpolitischer Maßnahmen nach sich ziehen muss".

Regierungssprecher Steffen Seibert wies darauf hin, dass 2016 "deutlich mehr als 3000" Afghanen freiwillig aus Deutschland in ihr Herkunftsland zurückgekehrt seien. Auch das Bundesinnenministerium machte deutlich, dass keinen Grund für einen Abschiebestopp sieht. Das Bundesinnenministerium bemühe sich darum, die Bundesländer von einer Beteiligung an den Abschiebungen zu überzeugen, sagte ein Sprecher. (AFP)