Meinung Wie sich die SPD aus der Affäre gezogen hat
Belächelt, beschimpft, bemitleidet hat man die SPD. Doch eigentlich haben sich die Sozialdemokraten nach der Wahl-Klatsche gut aus der Affäre gezogen. Ein Kommentar unseres Berlin-Korrespondenten Werner Kolhoff.
Berlin. Belächelt, beschimpft, bemitleidet hat man die SPD. Welch ein Drama aber auch, welch ein Ringen. Das war der Eindruck. Zur Ehrenrettung der Sozialdemokraten muss man sich aber mal fragen, was wohl in der CDU los wäre, wenn die Wahl um Wahl verloren hätte. Das Sieger-Gen ist auch denen nicht in die Wiege gelegt, siehe Baden-Württemberg, wo man nur noch Juniorpartner der Grünen ist. Oder siehe Bayern, wo schon die Gefahr auf 40 (!) Prozent abzurutschen, wüste Diadochenkämpfe ausgelöst hat. Auch auf Bundesebene wird es dort nicht mehr so glänzen, wenn Merkel weg ist.
Eigentlich hat sich die SPD gut aus der Affäre gezogen, die die 20,5 Prozent-Klatsche vom 24. September 2017 für sie bedeutet hat. Sie hat eine sehr sachliche, ja sogar regelrecht beispielhafte Diskussion über eine Grundsatzfrage geführt: Wo beginnt und endet Verantwortung für das Ganze? Wo beginnt und endet demgegenüber das Interesse einer Partei? Die SPD hat das sehr demokratisch entschieden, sehr transparent und ohne große innere Verletzungen zu hinterlassen. Gut gemacht?
Nun ja, Martin Schulz, der gewesene Vorsitzende nicht, der in der Schlussphase das Flattern gekriegt und persönliche Interessen mit denen seiner Partei vermischt hat. Sigmar Gabriel ist sogar persönlich verletzend geworden.
Und richtig gut war wohl auch die Funktionärsschicht nicht, die noch vor sechs Wochen beim Parteitag in Bonn beinahe sogar die Fortsetzung von Verhandlungen mit der Union torpediert hätte. Sie muss sich fragen lassen, warum sie in diesem Ausmaß Erdung verloren hat. Vor allem die Sprecher der Parteilinken.
Erst eine offenbar noch mit beiden Beinen im Leben stehende Basis hat wieder für Klarheit gesorgt: Natürlich wäre ein Nein der Anfang vom Ende der SPD gewesen. Es hätte den Rücktritt der gesamten Führung, Neuwahlen und ein regelrechtes Desaster bedeutet, von dem sich die Partei sehr lange nicht mehr erholt hätte. Jetzt bekommt sie wenigstens die Chance, anders weiterzumachen.
Zu einer verantwortungsbewussten Partei gehört es, Kompromisse zu machen. Jeder Kompromiss aber ist ein Verrat an den Idealen. Das macht Realpolitik so schwer für Idealisten. Linke und AfD haben dieses Problem nicht, sie vertreten einfach Maximalpositionen oder wollen gar nicht regieren. Eine Volkspartei aber kann so nicht handeln, dann hat sie als Volkspartei keine Zukunft.
Und es wird ihr auch nichts nützen, wenn sie versucht, unangenehmen Entscheidungen auszuweichen. Die Erfolglosigkeit der SPD liegt nicht an Personen, es gibt keine Wunderführer. Nicht mal Macron ist das in Frankreich noch, seit er mit den Reformen ernst macht. Und Martin Schulz dilettierte erst so richtig nach der verlorenen Bundestagswahl.
Der Grund für die Misserfolge liegt auch nicht am Programm und schon gar nicht an Programmen, die wie die Agenda 2010 nun wirklich schon 15 Jahre alt sind. Die Ursache liegt in erster Linie an der mangelnden Fähigkeit der Partei, zu ihren Kompromissen zu stehen und sie den eigenen Wählern und Anhängern zu vermitteln. Sie liegt an mangelndem Selbstvertrauen.
Erst wenn die Sozialdemokraten begreifen, dass sie keinen Grund haben, für ihre Politik in Sack und Asche zu gehen, wenn sie wieder selbstbewusster auftreten, werden sie auch wieder gewinnen. Die Art der Entscheidungsfindung über die GroKo war dafür ein guter Anfang.