Alarmierende Messwerte Wirtschaft läuft Sturm gegen Diesel-Fahrverbot in München

München/Berlin (dpa) - Mit Überlegungen für Diesel-Fahrverbote heizt die bayerische Metropole München den Streit über einen schärferen Kampf gegen die Luftverschmutzung in deutschen Städten weiter an.

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Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass man über Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos nachdenken müsse - „wenn es keine andere Lösung gibt, und ich kenne gerade keine“. Die Bundesregierung sieht wegen zu hoher Emissionen Handlungsbedarf, ist aber uneins über mögliche kommunale Fahrverbote. Wirtschaftsverbände wandten sich gegen großflächige Beschränkungen.

Hintergrund der Überlegungen in München sind neuere Abgas-Messwerte, die die „Süddeutsche Zeitung“ vorgelegt hat, wie Reiter sagte. Der von der EU zugelassene Mittelwert für die Belastung durch giftiges Stickstoffdioxid wird demnach nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten, sondern auch in weit davon entfernten Gegenden.

Von einem Fahrverbot betroffen wären laut „SZ“ - je nach angewandter Abgasnorm - zwischen 133 000 und 170 000 Autos. Insgesamt haben 295 000 in München zugelassenen Autos Dieselmotoren. Reiter erklärte, er habe seine Verwaltung gebeten, kurzfristige Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung auszuarbeiten.

Handwerk, Industrie und Handel in Bayern lehnten die Pläne ab. Waren könnten nicht mehr geliefert werden, mit vielen zusätzlichen Pendlern wäre der öffentliche Nahverkehr überfordert, warnten die Verbände. Der Verband der Automobilindustrie erklärte, es gebe „intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen“ als temporäre oder dauerhafte Fahrbeschränkungen - etwa die Verbesserung des Verkehrsflusses.

Die Umweltorganisation Greenpeace begrüßte die Überlegungen dagegen: „Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel.“ Das Bundesumweltministerium betonte, es gehe um das Gebot einer sauberen Luft. „Fahrverbote sind das allerletzte Mittel, was eine Stadt anwenden kann und notfalls auch anwenden muss“, sagte ein Sprecher in Berlin.

Das Verkehrsministerium bekräftigte dagegen, Fahrverbote seien ein falscher politischer Ansatz. Wirkungsvoller wäre, Fahrzeuge, die wie Busse und Taxis ständig in Innenstädten unterwegs sind, auf alternative Antriebsformen umzustellen.

Beim Vorgehen gegen zu hohe Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen in den Innenstädten gibt es bundesweit verschiedene Ansätze. In Stuttgart soll es von 2018 an Fahrverbote an Tagen mit besonders hoher Luftverschmutzung geben - aber nur als allerletztes Mittel, wenn andere Instrumente wie Nachrüstungen an Diesel-Autos nicht wirken.

Hamburg plant Fahrverbote auf Teilen zweier Hauptverkehrsstraßen. In Köln, Düsseldorf und Dortmund stehen flächendeckende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge derzeit nicht zur Diskussion. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover prüft derzeit „alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Stickstoffdioxidgehalt in der Luft zu reduzieren“.

In elf Städten in Hessen, in denen die Stickstoffdioxid-Werte über den erlaubten Grenzwerten liegen, gibt es bereits Luftreinhaltepläne, etwa mit Umweltzonen oder Lkw-Durchfahrverboten. Das Land setzt sich für eine Änderung der Kennzeichnungsverordnung ein. Dann dürften nur noch emissionsarme Fahrzeuge in neu abzugrenzenden Umweltzonen fahren. Generelle Fahrverbote seien kaum kontrollierbar und würden zu Verkehrsverlagerungen in andere Bereiche führen. In Potsdam wird die besonders belastete Zeppelinstraße derzeit so umgebaut, dass sie primär nur noch einspurig ist, mit Tempo 30 und Grüner Welle. Zudem gibt es seit Jahren bereits eine Regelung, dass die Zahl der Autos, die über die Straße in die Stadt kommen, per Ampel begrenzt wird, wenn die Luftwerte besonders schlecht sind. Damit will die Stadt die Einführung einer allgemeinen Umweltzone vermeiden.