Zweifel am Atomgesetz mehren sich

Berlin (dpa) - Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält den schwarz-gelben Atomausstieg trotz wachsender Kritik für rechtlich wasserdicht.

„Mit der flexiblen Übertragung der Reststrommengen sind die Eigentumsrechte der Kraftwerksbetreiber gewahrt“, sagte die FDP-Politikerin dem „Münchner Merkur“ mit Blick auf drohende Klagen. Bei einer Anhörung im Bundestag kritisierten Fachleute, die Regierung könne zudem die Ungleichbehandlung alter und neuer Kernkraftwerke nicht begründen. Die acht alten AKW müssen nach dem Willen der Regierung sofort vom Netz, die neun restlichen Meiler stufenweise erst bis 2022.

Für Unruhe in der FDP sorgten Äußerungen von Fraktionschef Rainer Brüderle, der sich von Attacken des eigenen Generalsekretärs Christian Lindner gegen die Unionsspitze distanzierte. Dieser hatte den Eindruck erweckt, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer hätten Warnungen der Liberalen vor Klagen der Atomkonzerne vom Tisch gewischt. „Ich habe im Koalitionsausschuss keine rechtlichen Bedenken vernommen“, meinte Brüderle dazu. Die FDP trage die Atomentscheidungen mit.

Die Stromkonzerne wollen Schadenersatz in Milliardenhöhe, weil sie beim Turbo-Abschalten der Atommeiler bis 2022 nicht alle Strommengen aufbrauchen können. Aus Sicht der Industrie kommt dies einer Enteignung gleich. Die Justizministerin hält dagegen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) habe die fachliche Grundlage für die Energiewende entwickelt. „Wir haben als Koalitionspartner auf eine verfassungsrechtlich vertretbare Ausgestaltung geachtet“, betonte Leutheusser-Schnarrenberger.

Am Rande einer Expertenbefragung des Parlaments stellte aber auch der langjährige Chef für Reaktorsicherheit im Umweltministerium, Wolfgang Renneberg, die Rechtmäßigkeit des Abschaltplans infrage: „Ich habe selten so etwas Schlechtes gesehen von der Gesetzestechnik her“, sagte der Ex-Spitzenbeamte aus rot-grünen Zeiten zur dpa.

Die ungleiche Behandlung der Anlagen könne durch die von der Regierung erlaubte Restrommengenübertragung von alten auf neue Anlagen nur bedingt ausgeglichen werden. So sei nicht plausibel, dass von den beiden baugleichen RWE-Meilern in Gundremmingen (Bayern) Block B bereits 2017, Block C aber erst 2021 vom Netz gehen soll. Diesen Widerspruch hatte bereits RWE-Chef Jürgen Großmann in einem Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) moniert.

Der größte deutsche Energiekonzern Eon sieht durch den Ausstieg Milliardenschäden auf sich zukommen und fordert von der Regierung eine Entschädigung. „Wir werden diese Schäden konkret beziffern“, sagte der Vorstand der Eon Energie, Ingo Luge, im Umweltausschuss. Man erwarte eine Kompensation für die Vermögensschäden. Zunächst wolle man aber mit der Regierung reden, „um juristische Schritte zu vermeiden“. Klagen will Eon aber auf jeden Fall gegen die Atomsteuer.