Kämpfe statt Waffenruhe in Syrien
Istanbul/Beirut (dpa) - Nach einer kurzzeitigen Waffenruhe zum islamischen Opferfest herrscht in Syrien wieder blutiger Alltag. Die eigentlich auf vier Tage angelegte Feuerpause dauerte am Freitag keine drei Stunden, dann häuften sich Meldungen über Verstöße.
Am Abend explodierte in Damaskus eine Autobombe. Es gab Tote und Verletzte. Armee und Rebellen gaben sich gegenseitig die Schuld an der neuen Gewalt. Nach Angaben von Oppositionellen wurden mehr als 50 Menschen bei Angriffen der Armee getötet. Landesweit soll es mehr als 100 Verstöße gegen die vom internationalen Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi eingefädelte Waffenruhe gegeben haben.
Die ersten Kämpfe entbrannten nach Angaben der Opposition am Morgen in der Provinz Idlib. Dort sollen unter anderem Anhänger der Al-Nusra-Front versucht haben, einen Militärstützpunkt zu stürmen. Die dem Terrornetz Al-Kaida nahestehenden Islamisten hatten schon vor einigen Tagen verkündet, dass für sie eine mit der Regierung vereinbarte Waffenruhe nicht gelte.
Wenig später seien mehrere Gebiete im Großraum Damaskus, in Homs und Hama unter den Beschuss der Regierungstruppen geraten. Am Abend ging in Damaskus eine Autobombe im Stadtteil Daf al-Shuk in die Luft. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana starben mindestens 5 Menschen, etwa 32 wurden verletzt.
Die syrische Armee warf den Rebellen laut Staatsfernsehen vor, gegen die vereinbarte Feuerpause zu verstoßen, indem sie landesweit Stützpunkte des Militärs attackierten. Die Streitkräfte hatten am Donnerstag der Feuerpause zugestimmt, sich aber vorbehalten, auf Verstöße von anderer Seite zu reagieren.
Die bewaffnete Opposition hatte sich schon vorher mit dem Vorschlag des Syrien-Vermittlers Brahimi einverstanden erklärt, über die Feiertage die Kämpfe einzustellen. Aber nur unter der Voraussetzung, dass sich auch die Armee daran halte.
Während die Gewalt wieder eskalierte, zeigte sich Präsident Baschar al-Assad zum Opferfest in Damaskus beim Gebet in einer Moschee. Das Staatsfernsehen übertrug den Auftritt des Machthabers, der lächelnd und entspannt mit Gläubigen redete.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle ermahnte die Konfliktparteien zur Einhaltung der Feuerpause. „Ich hoffe, dass einzelne Verstöße nicht zu einem Zusammenbruch der landesweiten Waffenruhe führen“, sagte der FDP-Politiker in Berlin. „Wir appellieren an alle, sich an die Feuerpause zu halten.“
Beobachter betrachteten die Waffenruhe von Anfang an skeptisch. Erst im April war ein Versuch gescheitert, die Gewalt zu beenden. Damals hatte Brahimis Vorgänger Kofi Annan eine Waffenruhe ausgehandelt, die jedoch sofort wieder gebrochen wurde.
Zum Jahreswechsel hatte eine Beobachtermission der Arabischen Liga das Blutvergießen stoppen sollen. Doch nach einem Monat gab die Organisation angesichts der eskalierenden Gewalt den Plan wieder auf. Der seit mehr als 19 Monaten andauernde Konflikt hat inzwischen über 30 000 Menschen das Leben gekostet.