Krieg der Kulturen ist ausgeblieben

Eine Studie belegt aber, dass die Zahl der Konflikte seit den 80er Jahren deutlich gewachsen ist.

Gütersloh. Es war Anfang der 90er Jahre, als der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington (1927-2008) vor dem Zusammenprall der Zivilisationen warnte. Seine ebenso umstrittene wie aufsehenerregende These, dass künftig die Kultur Hauptgrund für internationale Spannungen sein werde - insbesondere der Konflikt zwischen westlicher und islamischer Welt - bekam nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 neuen Aufwind. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung dagegen entkräftet diese These.

Die Experten der Bertelsmann Stiftung hatten gemeinsam mit Forschern der Universität Heidelberg alle seit 1945 weltweit registrierten Konflikte untersucht. Sie fanden einerseits heraus, dass die Zahl der kulturell bedingten Konflikte sprunghaft zugenommen hat: Seit etwa Mitte der 80er Jahre übersteigt ihre Anzahl sogar die der nicht-kulturellen Konflikte.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nahmen insbesondere die religiös und ethnisch-historisch bedingten Konflikte wie etwa in Jugoslawien und im Kaukasus zu. Diese Auseinandersetzungen werden auch gewalttätiger geführt als die nicht-kulturell bedingten.

Die Studie ergab allerdings andererseits, dass kulturelle Konflikte ganz überwiegend ein innerstaatliches Problem sind: Vier von fünf werden innerhalb von Staaten ausgetragen. Kulturelle Auseinandersetzungen zwischen Staaten - also der Zusammenprall der Zivilisationen - seien dagegen die Ausnahme.

Sprache, Religion oder historische Erfahrungen sind laut Studie zudem nicht Hauptursache für Spannungen. Vielmehr erhöht insbesondere ein hoher Anteil an männlichen Jugendlichen in einer Bevölkerungsgruppe oder einem Land die Wahrscheinlichkeit von Konflikten.

Andere Faktoren sind demnach Unterentwicklung, ein geringes Wirtschaftswachstum oder eine nicht ausreichende Demokratisierung einer Gesellschaft. Besonders kritisch ist laut der Forscher, wenn ein besonders hoher Anteil männlicher Jugendlicher mit einer sehr starken sprachlichen Zersplitterung in einem Land zusammenfällt.

Hinter kulturellen Konflikten - und das ergab die Studie auch - steht aber kein Automatismus zur Gewalt. Akteure und Gruppen könnten lernen, in Frieden miteinander zu leben: durch die Wertschätzung von Vielfalt, die Gleichwertigkeit des Gegenübers sowie eine interkulturelle Kompetenz.