Analyse: Stress immer häufiger Ursache für Fehltage
Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch. Auch junge Arbeitnehmer sind häufig betroffen.
Düsseldorf. Der Krankenstand in Nordrhein-Westfalen lag im Jahr 2010 mit 3,3 Prozent auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK. „Das bedeutet, dass von 1000 Arbeitnehmern in NRW täglich 33 krankgeschrieben sind“, erklärt Susanne Hildebrandt vom für die Studie beauftragten Iges-Institut in Berlin. Jeder einzelne ist laut der Statistik im Durchschnitt 12,2 Tage im Jahr krankgeschrieben.
Der Anteil der psychischen Erkrankungen als Ursache einer Arbeitsunfähigkeit hat sich im Vergleich zu 2009 um zwölf Prozent erhöht. Das heißt: Es gab zwölf Prozent mehr Fehltage aufgrund von psychischen Leiden. „Hier liegt ein eindeutiger Trend vor“, sagt die Statistikerin. Der Anteil der psychischen Erkrankungen sei von 2008 auf 2009 bereits um neun Prozent gestiegen. 2010 ging laut Studie jeder achte Fehltag darauf zurück.
Hans-Werner Veen, DAK-Landeschef, sucht nach Gründen: „Psychische Leiden werden zum einen heute besser erkannt“, sagte er. Sicherlich sei aber auch die Arbeitsverdichtung ein Grund für den Anstieg — also dass immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt wird.
Im Mittelpunkt der Studie stehen junge Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 29 Jahren. Psychischer Stress spielt auch dort eine wachsende Rolle. Zwar gaben 72 Prozent der Befragten an, in ihrem Wunschberuf tätig zu sein — 93 Prozent sind sogar zufrieden mit ihrer Arbeit. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass die jungen Arbeitnehmer vor anderen Herausforderungen stehen wie unsichere Beschäftigungsverhältnisse (etwa durch befristete Verträge) und Konkurrenzsituationen, sagt Hildebrandt. So sei das Stressempfinden hoch — trotz Spaß an der eigentlichen Arbeit. 20 Prozent der Befragten empfinden ihren Arbeitsalltag als sehr belastend.
Stress muss nicht immer mit zu viel Arbeit zu tun haben, sagt Hildebrandt. „Burnout ist zwar in aller Munde“, ein anderes großes Problem sei aber Unterforderung. So haben 58 Prozent der Befragten das Gefühl, sie könnten mehr leisten, als von ihnen verlangt wird — Stress durch Unzufriedenheit.
Unabhängig von der Krankschreibung gab jeder fünfte junge Arbeitnehmer an, mit psychischen Leiden zum Arzt zu gehen. Auch körperliche Leiden wie Schmerzen und Herzbeschwerden, für die keine organische Ursache gefunden wird, können Anzeichen einer psychischen Erkrankung sein.