Arm im Alter - In NRW ist das Risiko besonders groß
Kurz vor der Bundestagswahl schrecken Zahlen zur Altersarmut auf. Besonders in Nordrhein-Westfalen drohen alte Menschen in die Armut abzurutschen. Die Politik hat ganz unterschiedliche Antworten darauf.
Düsseldorf. Ein ganzes Leben gearbeitet - und trotzdem reicht die Rente nicht. Altersarmut ist besonders in NRW ein Problem. Ältere Menschen ab 65 Jahren haben im bevölkerungsreichsten Bundesland ein höheres Risiko für Altersarmut als im Bundesdurchschnitt.
Bei den über 65-Jährigen stieg die sogenannte Armutsgefährdungsquote von 9,7 Prozent im Jahr 2005 auf 15,8 Prozent im Jahr 2016. Bundesweit erhöhte sie sich im selben Zeitraum etwas langsamer von 11 auf 14,8 Prozent.
2016 bekamen Männer in NRW im Durchschnitt monatlich 1095 Euro Rente, Frauen lediglich 636 Euro. Die Erwerbsminderungsrenten lagen bei Männern im Schnitt bei 761 Euro und bei Frauen bei 697 Euro. Immer mehr ältere Menschen ab 65 Jahren sind in NRW auf Grundsicherung angewiesen.
Zum einen ist es die Deregulierung des Arbeitsmarktes: Befristete Verträge, Leiharbeit und Minijobs sind immer mehr zur Normalität geworden. Wer wenig verdient, zahlt wenig in die Rentenkasse. Durch die „Prekarisierung der Arbeitswelt“ wachse das Risiko, am Ende des Erwerbslebens in der Altersarmut zu landen, sagt der Armutsforscher Christoph Butterwegge. „Der Niedriglohnsektor ist das Haupteinfallstor für heutige Erwerbs- und spätere Altersarmut.“ Zweiter Grund sei die Absenkung des Rentenniveaus. Doch gerade Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen können nicht privat fürs Alter vorsorgen.
Der Strukturwandel in der Industrie hat im Kohle- und Stahlland Nordrhein-Westfalen besonders tiefe Spuren hinterlassen. Der Niedriglohnsektor ist in NRW besonders ausgeprägt. „Das Ruhrgebiet ist das Armenhaus der Republik“, sagt Butterwegge. Nach Worten des Sozialexperten der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Lenzen, zeichnet sich „die über viele Jahre verfestigte hohe Langzeitarbeitslosigkeit im Ruhrgebiet“ jetzt auch in der Rente ab.
Das Bundesarbeitsministerium verweist darauf, dass die Quote keine Informationen über die individuelle Hilfebedürftigkeit liefere. Auch Angaben zur durchschnittlichen Höhe der Renten seien „wenig aussagekräftig“. So würden etwa weitere Alterseinkommen nicht berücksichtigt. Auch sei der „Kontext des Gesamthaushaltes“, in dem Rentner leben, nicht immer bekannt. Zudem flössen in die Berechnungen sehr niedrige Rentenbeträge von Personen ein, die überwiegend in anderen Systemen altersversichert seien.
Nein, Alleinerziehende mit Kindern haben das höchste Armutsrisiko: Betroffen sind laut Statistischem Landesamt 45,2 Prozent. Auch Kinderarmut ist in NRW verbreitet: Fast jeder vierte junge Mensch unter 18 Jahren (23,9 Prozent) war 2016 von Armut bedroht. Armut ist zudem oft weiblich: Das Armutsrisiko bei den 18- bis 25-jährigen Frauen lag 2016 bei 28,4 Prozent, bei Männern dieser Altersgruppe waren es rund 27 Prozent. 2016 hatten fast drei Millionen Menschen in NRW ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle. Insgesamt waren fast 17 Prozent der Bevölkerung von Einkommensarmut betroffen.
Ja, die Renten der Frauen sind im Durchschnitt nur halb so hoch wie die der Männer. Schon im Erwerbsleben verdienen Frauen weniger als Männer. 2016 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen in NRW um 22 Prozent niedriger als der von Männern. Außerdem sind Frauen häufiger als Männer geringfügig oder teilzeitbeschäftigt.
Die Grünen und die SPD fordern eine Garantierente für langjährig Versicherte sowie eine Stabilisierung des Rentenniveaus. CDU/CSU sowie die FDP setzen auf den Ausbau und größere Attraktivität von Betriebsrenten und privater Vorsorge wie die Riester-Rente. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagt: „Eine möglichst durchgängige Erwerbsbiografie mit ordentlicher Entlohnung ist die beste Versicherung gegen Altersarmut.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte einen Kurswechsel in der Rentenpolitik hin zur Stabilisierung des Rentenniveaus. Auch müsse die Mütterrente aus Steuergeldern finanziert werden, um die Rentenkasse zu entlasten. Außerdem gelte: „Sichere und fair bezahlte Arbeit ist das beste Mittel gegen Altersarmut.“