Wenn im Alter plötzlich das Geld fehlt

Mehr als 6000 Senioren in der Stadt bekommen Grundsicherung. Das sind rund acht Prozent der Wuppertaler — der NRW-Schnitt liegt bei knapp vier Prozent.

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Wuppertal. In der Wohnung des Ehepaares sieht man noch die Insignien eines besseren Lebens. Im Bücherregal steht Reiseliteratur mit „Urlaubszielen in den Bergen“ und „Urlaubszielen an der See“ sowie der Autobahnatlas für Europa. An den Wänden hängen antike Lampen, auf dem Tisch stehen französische Wasserkessel. Die beiden haben viel davon. Aber sonst keinen wertvollen Besitz.

Das Ehepaar (beide 75) will seinen Namen nicht in der Zeitung sehen. Sie wollen anonym bleiben. Denn früher hatten sie genug zum Leben, genug für ein Leben „auf großem Fuß“, wie sie sagen. Reisen, Essen gehen, Kleidung. „Meine Frau hat 20 Jacken im Schrank“, sagt er. „Früher ging das alles.“ Aber dann kam der Bruch. Das Alter. Die Krankheit. Die Rente. Und damit erst die Schulden und dann die Grundsicherung. Und die beiden sind nur zwei von vielen, denen es so geht.

In Wuppertal gab es zuletzt 6190 Menschen, die Grundsicherung im Alter bekommen haben — deren Rente also durch staatliche Leistungen aufgestockt werden muss. 2010 waren es noch 4453 Leistungsempfänger. Die Zahl steigt also. Trotzdem sagt Sozialdezernent Stefan Kühn, dass Altersarmut noch ein geringes Problem sei. Bei rund 74 000 Menschen über 65 Jahren in Wuppertal sind das insgesamt acht Prozent. Im NRW-Schnitt waren es zuletzt knapp vier Prozent.

In der Insolvenzberatung der Verbraucherzentrale sind 9,9 Prozent der überschuldeten Rentner. Berater Werner Bergmann (Archivfoto: Andreas Fischer) sagt, die Zahlen seien stabil. Aber: „Die Dunkelziffer ist höher.“

Kühn sagt, die aktuelle Rentnergeneration sei eine mit langen, geschlossenen Erwerbsbiografien und Betriebsrenten. Aber wer Bergmann zuhört, merkt, dass das nicht reichen muss. Viele rechneten nicht mit dem Einbruch des Einkommens, wenn die Rente kommt, sagt er. „Plötzlich fehlt die Hälfte des Geldes in der Haushaltskasse.“ Das kennt auch Astrid Neumann-Look von der Schuldnerberatung der Diakonie. „Wenn man nicht zu den Hochverdienern zählt, bricht das Finanzierungsmodell zusammen.“ Sie nennt vor allem Fälle von Menschen, die kleine Ratenzahlungen abzustottern haben und das plötzlich nicht mehr können.

So wie bei dem Wuppertaler Ehepaar in der heimeligen Wohnung. Er hat immer gearbeitet und damit die Raten für einen Kredit getilgt. Doch als er berufsunfähig wurde, wurde es schwierig. Erst durch Nebenjobs konnten beide die Überschuldung abfangen. „Hätte ich weitergearbeitet, wäre der Kredit jetzt abbezahlt.“

Es schwingt Resignation mit. Die beiden sagen, sie hätten ja alles — eine warme Wohnung und genug zu essen. Aber zwischen den Sätzen kommt immer wieder die Reue. „Wir sind ja selber schuld.“ Als er krank wurde und den Nebenjob aufgeben musste, war es zu spät.

Astrid Neumann-Look konnte sie nur noch in die Privatinsolvenz begleiten. Jetzt bekommen sie Rente und Grundsicherung. Nach Abzug der Miete bleiben beiden zusammen knapp 650 Euro. Der Schwellenwert zur Armut lag in Deutschland zuletzt bei 1033 Euro im Monat — pro Person. Dazuverdienen können sie nichts. Und auch nach Ende der Insolvenz in zwei Jahren wird es für sie nicht besser.

Das Problem ist, dass die Zahlen steigen. Subjektiv schon jetzt, wie Neumann-Look und Bergmann sagen. Aber auch ganz objektiv ist das zu erwarten — vor allem in Wuppertal. Sozialdezernent Kühn sagt, dass es hier ein erhöhtes Risiko gebe, weil die Arbeitslosigkeit sehr hoch sei. Wer nichts verdiene, wird auch später nichts bekommen. Neumann-Look sieht zudem das Problem, dass es viele Geringverdiener gibt. Die haben genug zum Leben, aber nicht genug, um vorzusorgen.

Die Stadt kann dagegen kaum etwas tun. Kühn sagt, es gebe zwar Angebote wie den Wuppertal-Pass und Quartiersangebote — aber das löse das Problem nicht. Was helfe, seien Jobs, genug Lohn und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit keiner zu Hause bleiben müsse, um die Kinder zu betreuen. Zumindest an Letzterem fehlt es noch in Wuppertal — auch wenn daran gearbeitet wird.

Dem Ehepaar hilft das nicht mehr. Sie sind dankbar, dass ihre Tochter ihnen aushilft und sie auch mal mit an die See nimmt. Die großen Sprünge lassen sich für sie nur noch mit fremder Hilfe schaffen.