Straftat „Politiker-Stalking“? Debatte um Hetze und Strafen nach Angriff auf Bürgermeister
Altena (dpa) - Der Messerangriff auf den Bürgermeister der sauerländischen Stadt Altena, Andreas Hollstein (CDU), hat die Diskussion um einen besseren Schutz von Lokalpolitikern auch vor Hetze wieder entfacht.
„Gewalt und Hetze darf und wird unser Rechtsstaat nicht dulden“, sagte der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). Immer häufiger würden Kommunalpolitiker und Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, bedroht und beschimpft. Hollstein forderte mehr Konsequenz und eine härtere Anwendung des Strafrechts.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält als Konsequenz aus dem Vorfall die Einführung des Straftatbestandes des „Politiker-Stalkings“ für notwendig. „Der geltende Stalking-Paragraf 238 Strafgesetzbuch sollte um einen neuen Straftatbestand des „Politiker-Stalkings“ ergänzt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Das hatte der Bund schon vor einem Jahr gefordert, als der SPD-Vorsitzende im münsterländischen Bocholt, Thomas Purwin, nach Hassmails und Morddrohungen zum Schutz seiner Familie zurücktrat. Auch hier war die Flüchtlingspolitik Anlass für Angriffe oder Hetze, wie beim ehemaligen Ortsbürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt) und jetzt bei CDU-Mann Hollstein.
Hollstein mahnt, die „Verrohung unserer Gesellschaft“ ernster zu nehmen und das Strafrecht konsequenter anzuwenden. „Ich habe zusehen können, wie sich das Verhältnis zwischen Wählern und Gewählten gewandelt hat“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. Es habe sich eine Haltung breitgemacht nach dem Motto: „Wir sind dagegen - und deshalb ist alles legitim.“ Im Fall von Altena konnte der Täter überwältigt werden. Der arbeitslose Maurer, der Hollstein ein Messer an den Hals setzte, gibt über die Hintergründe der Tat noch nichts preis. Er schweigt. Gegen den 56-Jährigen erging Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Ob er überhaupt haftfähig ist, müssen psychiatrische Untersuchungen zeigen. Die Ermittler gingen auch am Mittwoch von einer Spontantat aus.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die 2015 von einem Rechtsextremisten lebensgefährlich mit einem Messer verletzt wurde, bestärkte den Bürgermeister von Altena. „Wir müssen uns weiterhin mit Offenheit und Stärke unseren Aufgaben stellen.“ Hass und Gewalt seien keine Lösung, sie seien das Problem.
Laut einer Umfrage der Verwaltungszeitschrift „Kommunal“ unter mehr als 1000 Bürgermeistern aus dem Jahr 2016 hat fast jedes zweite Stadtoberhaupt wegen seiner Flüchtlingspolitik Beschimpfungen ertragen müssen. Drei Prozent der Kommunen hätten auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdiskussion auch über konkrete körperliche Übergriffe berichtet. Die Studie habe zwar viel Aufsehen erregt, konkret geschehen sei aber nichts. Auch die Forderung zur Einführung eines Paragrafen sei nicht verfolgt worden.