Justiz: „Das kann niemand ausschließen“ausschließen“
Der Ex-Gefängnisleiter vor dem Foltermord-Untersuchungsausschuss.
Düsseldorf. Wolfgang Neufeind redet bedächtig, mit sonorer Stimme und spärlicher Gestik. Dabei erinnern die Fragen, die ihm die Mitglieder des Untersuchungsausschuss stellen, an ein peinliches Verhör. Tenor: Wie konnte es dazu kommen, dass am 11. November 2006 in einer Zelle seines Gefängnisses ein 20-Jähriger von drei Mithäftlingen gefoltert und zum Selbstmord gezwungen wurde?
"Die Gewalt-Quote in der JVA Siegburg war im Vergleich zu anderen Vollzugsanstalten unterdurchschnittlich", sagt der ehemalige Anstaltsleiter, der nach dem Vorfall ins Justizvollzugsamt nach Wuppertal versetzt worden war. Ehemalige Häftlinge hatten allerdings anderes berichtet: "Betreuungsarmer Verwahrvollzug" galt noch als mildeste Umschreibung des Gefängnis-Alltags. Andere sprachen von "Boxerbude", davon, dass selbst "schwere Jungs" zitterten, wenn es nach Siegburg ging.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses erinnern den 58-Jährigen auch an frühere Exzesse, etwa aus dem Jahr 2004, als ein Häftling gezwungen wurde, seinen Zellengenossen oral zu befriedigen. Auch damals soll "das Weghängen" als Drohung im Raum gestanden haben. "Gewaltausbrüche sind im negativen Sinn bundesweit Standard", erwidert Neufeind, "so etwas muss in Kauf genommen werden, das kann niemand ausschließen."
Früher, sagt Neufeind, habe man aufgehört zu schlagen, wenn ein Opfer am Boden lag. Heute gebe es bei jugendlichen Strafgefangenen oft keine Hemmschwellen mehr. "Die hören einfach nicht auf." Disziplinarmaßnahmen, Arbeitstherapie, Gewaltprävention, all das habe es in Siegburg unter seiner Leitung gegeben - "qualitativ, nicht quantitativ". Soll heißen: Es fehlte an Geld für ausreichende Angebote. Pragmatismus, Sparzwang, Mangelwirtschaft, das sind die Themen des ehemaligen Gefängnis-Leiters. Überbelegte Zellen und überforderte Vollzugsbeamte? Ja, das sei seit seiner Amtsübernahme vor 15 Jahren immer "ein Problem" gewesen, aber in deutschen Gefängnissen eben Normalität.
"Es gab Zeiten, da hatten wir einen Krankenstand von 20 Prozent", sagt Neubauer. Ob das Land von den Zuständen wusste, fragt ein Mitglied des Ausschusses. Neufeind legt die Hände flach auf den Tisch, sagt: "Von der Aufsichtsbehörde kann niemand sagen, das nicht gewusst zu haben, da war nichts unter der Decke."