Untersuchungsausschuss Kraft weist Vorwürfe nach Silvester-Übergriffen zurück
Ministerpräsidentin Kraft ist die prominenteste Zeugin im Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht. Sie weist Vorwürfe gegen ihre Regierung zurück. Aber sie räumt auch einen Fehler ein. Die SPD-Politikerin steht unter Druck.
Düsseldorf. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat Vorwürfe zurückgewiesen, ihre Regierung habe nach den Silvester-Übergriffen in Köln zu spät reagiert. Sie räumte aber als Zeugin im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages in Düsseldorf einen persönlichen Kommunikationsfehler in den Tagen nach den Exzessen am Hauptbahnhof der Domstadt ein.
Es sei nichts verheimlicht worden, sagte die Regierungschefin am Freitag. „Es wurde - und es wird auch - nichts unter den Teppich gekehrt oder vertuscht“, versicherte die SPD-Politikerin ein halbes Jahr nach den Übergriffen, die auch weltweit für Entsetzen gesorgt und im Bund für schärfere Vorschriften gesorgt hatten. Kraft entschuldigte sich zu Beginn der Vernehmung bei den „Opfern eines neuen Gewaltphänomens“ für die schrecklichen Ereignisse und „zutiefst entwürdigenden“ Taten, die sie erlitten hatten. „Ich hatte mir das so nicht vorstellen können“, betonte sie zu den Vorfällen.
Rund um den Hauptbahnhof waren unter den Augen der Polizei Hunderte Frauen von Männergruppen eingekesselt, beraubt und sexuell bedrängt worden. Es soll auch Vergewaltigungen gegeben haben. Die Regierung habe ein 15-Punkte-Maßnahmenpaket für eine bessere Innere Sicherheit und Opferschutz erarbeitet, damit sich solche Vorkommnisse in NRW nicht wiederholen könnten, sagte Kraft. Die Dimension der Übergriffe habe sich für die Landesregierung erst im Laufe des 4. Januar abgezeichnet, bekräftige die Regierungschefin. Sie habe mit Innenminister Ralf Jäger (SPD) vereinbart, dass er sich noch am selben Tag dazu äußere. Sie selbst habe dann einen Tag später in einer Zeitung Stellung genommen. Es sei aber ein Fehler gewesen, lediglich ein schriftliches Statement zu geben. Stattdessen hätte sie besser vor die Kameras treten sollen, räumte sie ein.
Auch die frühere Kölner Polizeiführung habe Fehler gemacht, sagte Kraft. Es habe „Planungs- und Einsatzdefizite“ wie auch Versäumnisse bei der Kommunikation während und nach den Vorfällen gegeben. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers war am 8. Januar bereits in den Ruhestand geschickt worden.
Kraft steht nach den Ausschreitungen der Silvesternacht unter Druck. Jäger war mehrfach zum Rücktritt aufgefordert worden. Die Staatsanwaltschaft zählt ein halbes Jahr nach den Ausschreitungen inzwischen 1190 Strafanzeigen, davon 500 wegen sexueller Übergriffe. Unter den 204 Beschuldigten bildeten Algerier und Marokkaner mit zusammen 116 Verdächtigen die größte Gruppe. Auch gegen 55 Jugendliche oder Heranwachsende liefen Ermittlungsverfahren. Erste Täter wurden verurteilt.