Einspruch bei Wahlergebnis der NRW-Wahl NRW-Wahl: Die AfD in der Rolle des Demokratiehüters

Die AfD rechnet vor, dass die Fehler bei der NRW-Wahl kein Zufall gewesen sein können. Derweil werden ihr selbst Fehler vorgeworfen.

Mathematiker Michael Espendiller (AfD), Rechtsanwalt Christian Bill, Martin Renner, Sprecher der nordrhein-westfälischen AfD, und Stefan Keuter (AfD) äußern sich zum Einspruch der Partei gegen das Ergebnis der Landtagswahl im Mai bei einer Pressekonferenz.

Foto: Rolf Vennenbernd

Düsseldorf. Gibt es etwas Sachlicheres als die reine Mathematik? Michael Espendillers Aufgabe an diesem Tag ist es, den Einspruch der AfD gegen das Wahlergebnis der NRW-Wahl vom Ruch der politischen Schaumschlägerei zu befreien. Und der 28-jährige Mathematiker, der an der Technischen Hochschule in Aachen promoviert hat, macht seine Sache gut. Mit der Geduld eines Dozenten, der seinen ungebildeten Studenten die Welt der unanfechtbaren Zahlen eröffnen will, erläutert das AfD-Mitglied, warum es am Ende seiner „statistischen Unregelmäßigkeitsanalyse“ der Wahldaten zu dem Schluss kommt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten bei der Landtagswahl Wahlmanipulationen zuungunsten der AfD stattgefunden. „Eine rein zufällige Fehlerursache kann ausgeschlossen werden.“

Espendiller zeigt eine Grafik zu den Stimmzuwächsen und -verlusten bei den Zweitstimmen nach der Korrektur des vorläufigen Endergebnisses. Bei den meisten Parteien halten sich Zuwächse und Verluste optisch die Waage. Bei der AfD gibt es einen deutlichen Ausschlag in Richtung Zuwächse, bei den AD-Demokraten NRW in Richtung Verluste.

Beispiel vom Münzwurf soll Betrug zuungunsten der AfD belegen Nun könnte es bei der Namensähnlichkeit zwischen AfD und ADD ja schnell zu unbeabsichtigten Verwechselungen kommen. Aber dann wäre wie beim Münzwurf mathematisch die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers zugunsten der ADD genauso groß wie zugunsten der AfD. Nach Espendillers Angaben ist die Vertauschung aber so überwiegend zulasten der AfD erfolgt, dass das kein Zufall mehr sein könne.

Da passt der Partei ein Posting in Bild, das sie auf der Facebookseite einer „Internationalsozialistischen Antifa“ entdeckt hat. Dort ist mit Datum vom 27. Juni über einem Foto von Angela Merkel zu lesen: „Merkel verrät ihre eigene Partei am laufenden Band, haha! Üble Nebenwirkung ist leider die AfD . . . Wir versuchen das im September als Wahlhelfer zu regeln. NRW war ein Testlauf.“ These der AfD: Der Text belege, dass die „Antifa“ über eingeschleuste Wahlhelfer bei der Bundestagswahl Wahlfälschungen auf Kosten der AfD plane und das schon in NRW getestet habe.

Allerdings ist unklar, ob hinter dem Facebook-Auftritt wirklich eine „Antifa“-Gruppe steht. Viele Postings könnten auch satirisch verstanden werden oder als gezielte Fake-Kampagne von Rechtspopulisten. Auf eine Gesprächsanfrage des „Stern“ hatten die Betreiber bis Donnerstag noch nicht reagiert. Klar ist dagegen, dass die AfD den Einspruch nutzt, um sich als Hüter der Demokratie darzustellen.

Er weigere sich zu glauben, die Abgeordneten des Landtags könnten aus Angst vor einer Gefährdung der Koalition gegen eine Überprüfung des Wahlergebnisses stimmen, spricht Anwalt Christian Bill den Parlamentariern ein vergiftetes Vertrauen aus. Und auch Landessprecher Renner erklärt: „Es kann in keinerlei Interesse sein, dass Rechtszweifel an der Gültigkeit von Wahlentscheidungen aufkommen.“

Unlieb sind ihm da Nachfragen zu anonym geäußerten Rechtszweifeln am Zustandekommen der AfD-Landesliste für die Bundestagswahlen. Erst auf mehrfache Intervention gibt Renner die Einschätzung von sich, dass die Liste seiner Meinung nach nicht zu beanstanden sei.

Ob das so ist oder nicht, wird sich schon heute entscheiden. Dann tritt der Landeswahlausschuss zusammen, um über alle 27 eingereichten Landeslisten zu befinden. Viel Zeit, zu einer Einschätzung in der Sache zu kommen, hatte der Landeswahlleiter nicht. Das Schreiben war erst am Dienstag eingegangen. „Inzwischen liegt auch eine Stellungnahme der Partei vor“, sagte Tobias Dunkel, Sprecher des Innenministeriums, am Donnerstag.

Der Vorwurf lautet, bei der Aufstellung der Delegierten für die Listenwahl hätten beim AfD-Kreisverband Recklinghausen Personen mitgewirkt, die zu dem Zeitpunkt nochnicht AfD-Mitglieder gewesen seien. Eine Korrektur ist zeitlich nicht mehr möglich. Würde die Landesliste nicht zur Wahl zugelassen, wäre das für die bundespolitischen Ambitionen der AfD ein Desaster.