Rudolf Dreßler (SPD): „In NRW wird es sehr schwer“
Interview: Der SPD-Linke Rudolf Dreßler rechnet mit Steinmeier und Müntefering ab. Er will für Hannelore Kraft kämpfen.
Düsseldorf. Herr Dreßler, was ist Ihnen am Wahlsonntag um 18 Uhr durch den Kopf gegangen, als die ersten vernichtenden Prognosen zur SPD über die Bildschirme flimmerten?
Dreßler: Eine Katastrophe historischen Ausmaßes. Man muss bis ins Jahr 1893 zurückgehen, um Ähnliches zu finden. Aber damals hatte die SPD mit 23,4 Prozent sogar noch 0,4 Prozentpunkte mehr als jetzt.
Dreßler: Ich habe vorher 24 Prozent getippt - zum großen Unverständnis meiner Freunde. Aber für mich hat sich die Katastrophe abgezeichnet, spätestens seit der Europa-Wahl mit den beschämenden 21 Prozent.
Dreßler: In der Politik der vergangenen elf Jahre. In dieser Zeit hat sich die Partei unter der damaligen Führung radikal von ihren Wählern entfernt. Was die SPD stark gemacht hat, also ihre Gesellschafts- und Sozialpolitik, ist aufgegeben worden. Die Linke hat das Feld vollständig besetzt. In dieser Zeit hat die SPD einen großen Teil ihrer Identität verloren.
Dreßler: Nein, keine Befriedigung. Ich finde es eher erschreckend, wenn ich sehe, dass sich die alte SPD-Führung weigert, die tieferen Ursachen für den Absturz zur Kenntnis zu nehmen.
Dreßler: Wenn ich höre, wie Frank-Walter Steinmeier, als ein Hauptverantwortlicher der Misere, sich zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale im Fernsehen selbst zum neuen Fraktionsvorsitzenden erklärt. Ein weiteres Beispiel: FDP-Chef Guido Westerwelle sagt zwei Tage vor der Wahl, bei Hartz IV müsse das Schonvermögen erhöht werden. Und einen Tag später sagt Steinmeier, man könne stolz auf das Erreichte sein. Da ist man fassungslos.
Dreßler: Sie muss ihre Identität zurückgewinnen -- in der Gesellschafts- wie in der Sozialpolitik. Und sie muss das unsinnige Koalitionsverbot gegenüber der Linken aufgeben.
Dreßler: Die von Gerhard Schröder verordnete "Mitte", die der SPD letztlich zu 23 Prozent Wähleranteil verholfen hat. Nein, Millionen unserer Stammwähler müssen zurück gewonnen werden, die zu Hause geblieben sind oder direkt andere Parteien gewählt haben.
Dreßler: Ja, denn sie bilden die ganze Bandbreite der Partei ab. So muss es sein.
Dreßler: Ja. Er hat als Ministerpräsident in Niedersachsen und als Umweltminister Profil gezeigt. Er ist Profi, rhetorisch sehr gewandt und hat als noch junger Mann die nötigen Nerven, um die schwierige Aufgabe zu stemmen.
Dreßler: Sie hat in den vergangenen Jahren, als ich mit der SPD stark haderte, einen klaren Kurs gehalten. Sie hat sich in vertraulichen Gesprächen nicht anders geäußert als öffentlich. Damit war sie eine von wenigen, die nicht mit "gespaltener Zunge" gesprochen haben.
Dreßler: Wenn Sie das will, gerne.
Dreßler: Es wird sehr schwer. Frau Kraft hat immer noch ein großes Päckchen aus Berlin zu tragen. Entscheidend ist der Parteitag im November. Setzt sich dort der Steinmeier-Flügel mit seinem "weiter so" durch, dann waren die 23 Prozent Wähleranteil noch nicht das letzte Wort.