Strafvollzug: Das alltägliche Grauen hinter Gittern

Nach dem Foltermord von Siegburg legt nun eine Expertenkommission ihren Bericht vor. Sie empfiehlt eine radikale Modernisierung des Systems.

Siegburg. Die erste Meldung klang erschreckend genug: Am frühen Morgen des 12. November sei ein Häftling in der Toilette seiner Zelle erhängt aufgefunden worden, teilte der Leiter der Justizvollzugsanstalt Siegburg, Wolfgang Neufeind, im Herbst des vergangenen Jahres mit.

Wie konnte das passieren? Diese Frage löste eine bundesweite Diskussion über die Zustände im Jugendstrafvollzug aus. In Erklärungsnot geriet die NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Der Jugendvollzug Siegburg war mit 117 Prozent überbelegt; für die 267 Jugendlichen waren nachts nur vier Bedienstete zuständig.

Gestern nahm die Ministerin den Bericht einer Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Berliner Innensenators Eckart Werthebach in Empfang. Die Ergebnisse sind erschreckend: Kaum jemand weiß, wie es hinter Gittern aussieht, lautet der erschütternde Befund.

18 000 Männer und Frauen, darunter 1600 Jugendliche, sitzen zurzeit in Nordrhein-Westfalen eine Haftstrafe ab. Werden sie zu mehreren in einen Raum gesperrt - die Kommission sprach von "unsortiertem Zusammenpferchen" -, und fehlt es an Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten oder an Betreuung durch die Bediensteten, kommt es zu Brutalität. In den vergangenen fünf Jahren wurden rund 1000 Fälle von Gewalt im Knast registriert.