Mafia-Boss sagt gegen Wuppertaler Drogendealer aus
Der als "Engelsgesicht" bekannt gewordene Mann hat als Kronzeuge schon 50 Mafiosi hinter Gitter gebracht. Gestern belastete er einen Wuppertaler mit dem Spitznamen "Toni, der Zuhälter" schwer.
Düsseldorf. Es sind skurrile Szenen, die sich am Mittwoch im Düsseldorfer Oberlandesgericht abspielen. Zwei große Videoleinwände zeigen einen altmodischen Schreibtisch, vor dem ein grauhaariger Mann sitzt - mit dem Rücken zur Kamera. Es ist Giorgio Basile, früher ein berüchtigter Boss der italienischen Mafia. Wo er sich während der Übertragung aufhält, weiß im Gerichtssaal niemand. Der 47-Jährige ist über eine sichere Leitung von einem geheimen Ort in Italien aus zugeschaltet. Nach seiner Festnahme im Allgäu 1998 hatte er den Ermittlern 30 Morde gestanden und als Kronzeuge geholfen, 50 Mafiosi hinter Gitter zu bringen. Bei dem seit Mai laufenden Wuppertaler Prozess, der wegen der Videomöglichkeiten am Mittwoch Ausnahmsweise nach Düsseldorf verlegt wurde, sagt Basile als Zeuge aus. Drei Männer sind wegen Drogenhandels angeklagt. Mit einem 38-jährigen Italiener, genannt "Toni, der Zuhälter", hat Basile nach eigenen Angaben zahlreiche Geschäfte gemacht. Der Kontakt zu dem Ex-Mafioso kam über die italienische Justiz zu Stande. "Antonio hat uns in Deutschland mit allem beliefert, was wir brauchten: Drogen Waffen, Falschgeld", schildert Basile. Als er auf der Flucht war und Geld brauchte, habe er seinerseits dem Angeklagten ein Kilo Amphetamine und ein halbes Kilo Kokain verkauft. Er kenne ihn und seine Familie schon lange, betont Basile. Und als wäre es eine Nebensächlichkeit, fügt er hinzu: "In seinem Haus haben wir sogar einen Mord begangen. Aber damit hat Toni nichts zu tun." Ob der Mann, der in ruhigem Tonfall solche Aussagen macht, tatsächlich ein "Engelsgesicht" hat, wie sein Spitzname verheißt? Prozessbeteiligten und Zuschauern im Gerichtssaal bleibt dies verborgen. Im rotbraunen Poloshirt sitzt Basile ruhig auf seinem Stuhl, gestikuliert manchmal mit der rechten Hand, beantwortet bereitwillig und in schönstem Ruhrpott-Dialekt die Fragen von Richter und Verteidiger: Nein, "Toni, der Zuhälter" sei nicht dieselbe Person wie "Toni, der Stinkfuß". Ja, bei den "Geschäften" sei es ausschließlich um Straftaten gegangen: "Alles, was mit unserem Clan zu tun hat, hat mit Kriminellem zu tun." Basile kam 1961 als Sohn italienischer Gastarbeiter nach Mülheim an der Ruhr. Als seine Mutter wenige Jahre später ein Verhältnis mit einem Mafioso begann, geriet er erstmals in Kontakt mit dem organisierten Verbrechen. Später wurde er in der süditalienischen Region Kalabrien Profikiller der Ndrangheta, einer der größten und mächtigsten Mafia-Organisationen Europas. Bei seinen Taten ging Basile oft besonders grausam vor. Manche Opfer folterte er, eines versteckte er in einem Abflussrohr, ein anderes soll er in Säure aufgelöst haben. Erst am Montag hatten Carabinieri einen weiteren Ndrangheta-Boss festgenommen, der zu den meistgesuchten Verbrechern des Landes zählte. So grausam Basiles Karriere auch war, erscheint sie vielen Menschen doch gleichzeitig faszinierend. Ein Buch über den 47- Jährigen gibt es bereits, nun will Produzent Norbert Preuss ("Rossini", "Das Experiment") seine Lebensgeschichte verfilmen, voraussichtlich mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle. In etwa einem Jahr sollten die Dreharbeiten beginnen, sagt Preuss. Er ist extra zum Prozess gekommen, um Basile gewissermaßen live zu sehen - genau wie der Mafia-Experte des bayerischen Landeskriminalamts, Ernst Wirth. Er hatte Basile nach seiner Festnahme vernommen und ihn überredet, sich als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen. Nach seiner Auslieferung nach Italien wurde Basile zwar verurteilt. Er lebt aber heute an einem unbekannten Ort im Zeugenschutzprogramm der italienischen Polizei, gilt damit als Mitarbeiter der Justiz und bezieht als solcher sogar ein Gehalt. Vor der Mafia ist er nun auf der Flucht - sie betrachtet ihn als Verräter.