Milliarden-Kraftwerk auf dem Prüfstand
In Datteln hat nun der Stadtrat das Wort im Streit um das Großprojekt. Es steht am falschen Bauplatz.
Datteln. Das riesige Kohlekraftwerk in Datteln könnte zu einer der größten Bauruinen Deutschlands werden: Fast fünf Jahre ist es her, dass das NRW-Oberverwaltungsgericht den Bau der fast fertigen 1100-Megawatt-Anlage am Rand des Ruhrgebiets wegen schwerer Planungsverstöße gestoppt hat.
Am Mittwoch entscheidet der Dattelner Stadtrat über einen korrigierten Bebauungsplan, der den Weiterbau planerisch ermöglichen würde. Aus Sicht des Eigentümers Eon wäre das ein wichtiger Zwischenschritt für das Großprojekt — für Kritiker wie den Umweltverband BUND ein „einziges Desaster“.
„Schwarzbau bleibt Schwarzbau“ halten wütende Bürger dem Energiekonzern entgegen, der seit Jahren um eine nachträgliche Bau- und Betriebsgenehmigung kämpft. Ein Häuslebauer müsse auch abreißen, wenn er an der falschen Stelle gebaut hat. Andere Dattelner sehen eher die Jobs und neuen Aufträge durch das Großprojekt. Vor der Ratsentscheidung in der Dattelner Stadthalle gibt es zwei angemeldete Demonstrationen — eine Pro, eine Contra. Bürgermeister Wolfgang Werner (parteilos) und eine Mehrheit im Rat sind für den Weiterbau.
Dass der Konzern das riesige Bauwerk überhaupt direkt an den Dortmund-Ems-Kanal und damit sehr nah an ein Wohngebiet und eine Kinderklinik setzte, können im Rückblick auch Industriefreundliche nur schwer verstehen. Der nach dem Landesentwicklungsplan genehmigte Bauplatz lag ganze fünf Kilometer entfernt. Eon beruft sich auf den städtischen Bebauungsplan, der den gewählten Platz erlaubt habe. Doch dass der Großkonzern den Verstoß gegen die Landesplanung nicht bemerkt oder für relevant gehalten haben soll, glauben Kritiker nicht.
Gegen das Großkraftwerk hagelte es Einsprüche und Klagen. Ein Bauer aus der Nachbarschaft setzte sich schließlich mit seiner Klage durch und erwirkte den weitgehenden Baustopp. Bis dahin hatte Eon schon rund eine Milliarde Euro verbaut, zu 80 Prozent ist die Anlage fertig.
Wenn die Stadt jetzt Ja sagt, was viele erwarten, ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. Dann muss noch die Bezirksregierung in Münster den Betrieb immissionsrechtlich genehmigen, erneut ein aufwendiges und langwieriges Verfahren. Von den Problemen des Baus, Nähe zur Wohnbebauung, Lärm, Feinstaub und vor allem Naturschutzverstößen, sei kein einziges gelöst, sagt ein BUND-Sprecher. Optimisten rechnen derzeit mit drei weiteren Jahren, bis die Anlage ans Netz geht — wenn überhaupt.