Minister in der Einzelkritik So hat sich das Merkel-Kabinett geschlagen

Berlin · Die Mitglieder der letzten Regierung von Kanzlerin Angela Merkel erlebten eine außergewöhnliche Amtszeit, geprägt von Klima- und Corona-Krise. Wie haben sich die wichtigsten Ministerinnen und Minister geschlagen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht vor dem Ende ihrer Amtszeit. Doch wie ist es eigentlich um ihr Kabinett bestellt?

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) setzte zunächst die Politik seines CDU-Vorgängers Schäuble fort, hielt an der „Schwarzen Null“ fest. Doch nach dem Corona-Ausbruch 2020 öffnete er seine Kasse, setzte die Schuldenbremse aus. Der SPD-Kanzlerkandidat stahl dem CDU-Kollegen Altmaier als „Wumms“-Minister die Show. Intern machte er Altmaier bei den Wirtschaftshilfen das Leben schwer. In der Finanzmarktpolitik zeigte Scholz Schwächen, die Verstrickung seines Ministeriums in die Wirecard- und FIU-Affäre ist ungeklärt. Prädikat: raffiniert

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): Zum Ende seiner 50-jährigen Polit-Laufbahn hat Seehofer mit dem Innenministerium ein Mammut-Ressort übernommen. 2018 kam es beim Thema Migration zum Zerwürfnis mit Merkel. Seehofer prägte den Satz: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ Die Mammut-Aufgabe einer EU-weiten Migrationspolitik gelang ihm nicht. Prädikat: durchgehalten

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD): Der Jurist kam ohne nennenswerte außenpolitische Erfahrung auf den Chefposten des Auswärtigen Amtes. Maas setzte früh einen Akzent für einen härteren Kurs gegenüber Russland. Er startete eine Initiative für eine „Allianz für den Multilateralismus“ als Reaktion auf den damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Bis dahin: kaum Fehler, aber auch keine Höhen. Das Afghanistan-Desaster bescherte ihm schließlich keine gute Schlussbilanz. Prädikat: durchwachsen

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) tat sich schwer: Aus dem Merkel-Intimus wurde einfach kein neuer Ludwig Erhard. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien tat er zu wenig, am Ende musste er eingestehen, dass der Strombedarf wegen der angepeilten Klimaneutralität viel höher ist als geplant. In der Industriepolitik brachte er den Mittelstand gegen sich auf. Prädikat: unglücklich

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), die für Katarina Barley (SPD) nachrückte, gehört nicht zu den prominentesten Kabinettsmitgliedern. Im Hintergrund hat sie aber ordentlich gearbeitet. Sie setzte sich für die ausgeweitete Strafbarkeit von Stalking, für die härtere Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, für faire Verbraucherverträge oder die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ein. Zum Ende der Legislaturperiode wurde sie sogar Doppel-Ministerin, weil ihre Parteikollegin Franziska Giffey als Familienministerin zurücktrat. Prädikat: solide

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erbte von SPD-Vorgängerin Andrea Nahles ein gut bestelltes Haus und musste nur umsetzen, was im Koalitionsvertrag stand: die doppelte Haltelinie bei der Rente, höhere Mütterrenten, die Einführung der Grundrente. Dass die schlecht gemacht ist, geht nicht allein auf seine Kappe. Auf dem Arbeitsmarkt lief es wie am Schnürchen – bis Corona kam. Heil organisierte schnell die massive Ausweitung des Kurzarbeitergeldes. Prädikat: umtriebig

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): Entgegen eigener Festlegung drängte die damalige CDU-Chefin doch ins Kabinett, als Ursula von der Leyen 2019 nach Brüssel wechselte. Ihr gelang, das von ihrer Vorgängerin erschütterte Grundvertrauen der Soldaten wiederherzustellen. Als 2020 Skandale im Kommando Spezialkräfte bekannt wurden, griff sie zum „Eisernen Besen“, hatte aber später selbst mit der Frage zu kämpfen, seit wann sie was wusste. Prädikat: verbesserungsfähig

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat mitunter zu viel Nähe zu Lobbyisten gezeigt. Vor allem musste sie dramatische Herausforderungen stemmen: Erst die Dürre, dann der Regen. Klöckner half. Klöckner richtete zum Umbau der Tierhaltung die Borchert-Kommission ein. Inwieweit deren vielfach gelobte Vorschläge umgesetzt werden, hängt von den Ländern ab. Prädikat: bemüht

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte die verkrusteten Strukturen des Gesundheitswesens aufbrechen, die Pflege umbauen, die Krankenkassenfinanzen oder die Ärzte-Versorgung. Doch das große Projekt der Legislaturperiode war Corona: Spahn auf allen Kanälen. Man werde sich viel verzeihen müssen, sagte er. Auch ihm musste man einiges verzeihen, bei Masken, der Impfstoffbeschaffung und im eigenen Umgang mit Corona-Regeln. Am Ende verstummte die Kritik, weil die Pandemie sich dem Ende näherte. Klar ist: Spahn will die Ministerleiter weiter erklimmen. Prädikat: ambitioniert

Verkehrsminister An­dreas Scheuer (CSU): Kein Minister hat eine schlechtere Bilanz vorzuweisen. Scheuer ist verantwortlich für das Maut-Desaster. Er unterschrieb die Verträge vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der die Gebühr dann kippte. Den Steuerzahler dürfte das Hunderte Millionen Euro kosten. Mit Autofreund Scheuer ist die Verkehrswende kaum vorangekommen. Die Probleme türmen sich weiter: Bei der Digitalisierung, der Infrastruktur oder der Bahn. Scheuer aber möchte wieder Verkehrsminister werden. Prädikat: miserabel

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) startete zunächst als wenig durchsetzungsstarke Ministerin. Nach den Verhandlungen des Kohleausstiegs gab es Kritik an Schulze, die aus Sicht von Umweltverbänden nicht hart genug für den Klimaschutz eingetreten war. Zum Ende ihrer Amtszeit aber kämpfte Schulze erfolgreich für das wegweisende Klimaschutzgesetz sowie für das Insektenschutzpaket. Und sie startete die schwierige Suche nach einem Atom-Endlager. Prädikat: solide

Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU): Kaum eine andere Ministerin zog so viel Kritik auf sich wie Anja Karliczek mit ihren Sätzen zum Ausbau von 5G-schnellem Internet. Dies sei „nicht an jeder Milchkanne“ notwendig, sagte sie Ende 2018. Bis heute hängt ihr das nach. Karli­czek hatte mit dem schleppenden Digitalpakt zu kämpfen, mit einer neuen Batteriefabrik in ihrer Heimat sowie mit mangelnden Kompetenzen bei Corona-Maßnahmen an Schulen. Aber: Spektakuläre Fortschritte bei Quantencomputern und der Entwicklung des Corona-Impfstoffes fielen in ihre Amtszeit. Prädikat: durchwachsen