Reichstag Der Bundestag gräbt sich ein - neues Sicherheitskonzept für Berliner Reichstagsgebäude
Berlin · Die Bundestagsverwaltung will an der Südseite des Reichstags einen zehn Meter breiten und zweieinhalb Meter tiefen Graben quer über den Platz der Republik ausheben. Aus Sicherheitsgründen.
Wird der Reichstag zur Trutzburg? Igeln sich die Abgeordneten ein? Bekommt die Kluft zum Volk ein Bauwerk? Schon jetzt gibt es viele flotte Sprüche über die jüngsten Pläne der Bundestagsverwaltung. Sie will an der Südseite des Reichstags einen zehn Meter breiten und zweieinhalb Meter tiefen Graben quer über den Platz der Republik ausheben. Aus Sicherheitsgründen.
Graben soll zusammen mit Neubau des Besucherzentrums errichtet werden
Das Projekt ist eine Idee der Baukommission des Bundestages, die sich seit längerem schon damit befasst, wie die Touristenströme rund um das Gebäude mit den Sicherheitserfordernissen in Einklang gebracht werden können. Geplant ist nun der Neubau eines Besucherzentrums samt unterirdischem Gang in den Reichstag. Es soll rund 150 Millionen Euro kosten und etwas entfernt errichtet werden, außerhalb der Blickachsen. In diesem Zuge sollen dann auch die Außenanlagen neu gestaltet werden. Nächstes Jahr könnte es mit der Buddelei losgehen.
Maximale Sicherheit ohne Beeinträchtigung des Ausblicks
Der Graben schlägt mit 2,2 Millionen Euro zu Buche. Aus der Ferne, wo die meisten Erinnerungsfotos geschossen werden, wäre er nicht zu sehen. Auf der Reichstagsseite soll er steil aufsteigen, also nicht überwindbar sein, auf der öffentlichen Seite hingegen nur flach abfallen. Die Grundidee sei, maximale Sicherheit herzustellen, ohne den Blick auf das Gebäude und die Umgebung zu beeinträchtigen, heißt es in der Bundestagsverwaltung.
Vorbild Schloss Bellevue
Vorbild ist ein ähnlicher Graben vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Dass die Anlage mit Wasser gefüllt werden soll, wie kolportiert wird, ist ein Gerücht. Derartige Ideen waren dem Ältestenrat des Parlaments bei den Beratungen im letzten Jahr zwar ebenfalls vorgelegt worden, doch wurde schon deshalb darauf verzichtet, weil das Wasser im Winter hätte frieren können und die Sicherheit dann wieder dahin wäre. An den Seiten bleibt ein Zaun, damit es eine Zufahrtsmöglichkeit auf die Reichstagsrampe gibt. „Sonst hätten wir ja eine Zugbrücke gebraucht“, heißt es mit leichter Selbstironie in der Verwaltung.
Ist jede Lösung besser als der Status quo?
Eine kritische Diskussion gibt es in Berlin über das Vorhaben bisher nicht; den meisten Bürgern und Lokalmedien scheint jede Lösung besser zu sein als die gegenwärtige Situation. Die ist nämlich alles andere als ansehnlich. Mit „Hamburger Gittern“ werden die Touristenmassen davon abgehalten, direkt auf die Treppen zum Südportal zu steigen, über dem die Inschrift „Dem deutschen Volke“ prangt. Die jährlich rund 1,7 Millionen Besucher des Gebäudes und der berühmten Foster-Kuppel werden in Containern registriert und dann über die Treppe und Sicherheitsschleusen ins Innere geführt. Diese Container verschandeln die Optik.
Weil der Platz der Republik Berlins Sightseeing-Magnet schlechthin ist, gleicht die 3,5 Hektar große Reichstagswiese nach einem trockenen Sommer zudem jedes Mal einer Wüste. Gerade erst wurde ein Bauzaun entfernt, der das gesamte Areal monatelang umspannt hatte, um das Gras wieder wachsen zu lassen. Freilich ist es nur eine Frage der Zeit, bis der alte Zustand wieder eintritt; eine Dauerlösung gibt es hierfür noch nicht. Der Friedrich-Ebert-Platz auf der Ostseite des Gebäudes, wo sich der Eingang für die Abgeordneten befindet, war bisher ebenfalls mit „Hamburger Gittern“ permanent abgeriegelt und konnte nur mit Hausausweisen betreten werden. Hier verlief früher die Mauer. Immerhin dürfen die Bürger seit diesem Sommer dort wieder spazieren. Aber nur in parlamentsfreien Zeiten.