Neujahrsempfang: Wulffs schwieriger Versuch, die Affäre abzuschütteln
Neujahrsempfang im Schatten der Affäre: Der Bundespräsident begrüßt Diplomaten und will endlich wieder mit Themen punkten. Doch das fällt schwer. Wulffs Rückhalt in der Bevölkerung schwindet weiter.
Berlin (dpa). Rund einen Monat nach Beginn der Kredit- und Medienaffäre versucht Bundespräsident Christian Wulff, zu inhaltlichen Schwerpunkten zurückzukehren. Beim traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps widmete er sich am Dienstag den Themen Integration und Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Deutschland werde Fremdenhass und politischen Extremismus nicht dulden, versicherte Wulff. Unterdessen schwelt die Affäre um seinen Privatkredit und seinen Umgang mit den Medien aber weiter.
Anders als vom Bundespräsidenten versprochen lehnte dessen Anwalt Gernot Lehr eine öffentliche Dokumentation der Fragen und Antworten zu den Vorwürfen gegen das Staatsoberhaupt ab. Lehr berief sich auf Anfrage des Berliner „Tagesspiegels“ auf die „anwaltschaftliche Verschwiegenheitspflicht“, die einen solchen Schritt nicht zulasse. Das Präsidialamt nahm zu der Frage, warum Wulff seine Anwälte nicht davon befreit, nicht Stellung.
Wulff hatte in der vergangenen Woche im Interview von ARD und ZDF angekündigt, er wolle in der Affäre für vollständige Transparenz sorgen. „Morgen früh werden meine Anwälte alles ins Internet einstellen. Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger jedes Details zu diesen Abläufen sehen und bewertet sehen, auch rechtlich“, sagte er.
Und an anderer Stelle des Interviews sagte er: „Ich geb' Ihnen gern die 400 Fragen, die 400 Antworten.“ Wulffs Anwälte legten am folgenden Tag aber nur eine sechsseitige Zusammenfassung vor.
Dabei ging es im wesentlichen um die Kreditfinanzierung von Wulffs Eigenheim im niedersächsischen Burgwedel und um Urlaubsaufenthalte bei teils prominenten Freunden. Der umstrittene Anruf bei „Bild“- Chefredakteur Kai Diekmann, mit dem Wulff die Veröffentlichung des ersten Berichts über den Hauskauf verzögern oder verhindern wollte, wird in dem Papier nicht erwähnt.
Derweil ist auch die Debatte über Wulffs Hauskredit, seine Urlaubsreisen und sein Verhältnis zu den Medien noch nicht ausgestanden. Die Grünen warfen Wulff vor, sich der Würde und Verantwortung seines Amtes nicht bewusst zu sein. Damit trage er zu dessen Verfall bei, heißt es in einer Erklärung des Parteivorstands. „Mit jedem Befreiungsschlag manövriert sich Bundespräsident Wulff immer tiefer in die Krise und wirft dabei neue Fragen auf, statt sie zu beantworten.“
Beim Empfang für die Diplomaten im Schloss Bellevue erwähnte Wulff die gegen ihn gerichteten Vorwürfe nur am Rande. „Ich habe viel Aufmunterung erfahren“, sagte er in seiner Ansprache. „Dafür sage ich Ihnen ganz persönlich auch namens meiner Familie herzlichen Dank.“
Wulff traf sich am Dienstag nach Angaben des Präsidialamtes auch zu einem länger geplanten Meinungsaustausch mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und später auch mit Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU).
Vor den Diplomaten sagte Wulff, Deutschland stehe für Leben und Freiheit aller ein, die hier lebten. In Abstimmung mit den anderen Verfassungsorganen lade er für den 23. Februar zu einer Gedenkfeier für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland ein, um ein deutliches Zeichen zu setzen.
Zu den Umwälzungen in der arabischen Welt sagte er: „Deutschland steht auf der Seite der friedlichen Reformkräfte.“ Gerade auch in der arabischen Welt bewiesen derzeit Menschen großen Mut. Unbewaffnete Bürger, auf die geschossen werde, dürfe man nicht alleine lassen.
Die anhaltende Affären-Diskussion hat den Bundespräsidenten nach einer neuen Umfrage weiter Zustimmung gekostet. In der Erhebung für die ARD-Sendung „Hart aber fair“ sprachen sich 46 Prozent dafür aus, dass Wulff weiter im Amt bleiben sollte. Dies sind zehn Punkte weniger als am vergangenen Donnerstag. Ebenfalls 46 Prozent sind für einen Rücktritt - vor einer Woche waren es 41.
Auch die im Bundestag nicht vertretene Piratenpartei rief Wulff zum Rücktritt auf. In der Kredit- und Reiseaffäre des Staatsoberhauptes sei „in Teilen der Vorwurf der Vorteilsnahme“ gerechtfertigt, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Bernd Schlömer. Hunderttausende Beschäftigte im Öffentlichen Dienst müssten bei vergleichbaren Vorwürfen mit scharfen Sanktionen rechnen.